©2005-2012 Ulm University, Othmar Marti
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4.2  Elektronen

Seit J.J. Thomson [Tho97] das Elektron entdeckt hatte, ist es eines der am genauesten untersuchten Elementarteilchen. Die Kennwerte des Elektrons werden mit den folgenden Methoden bestimmt:

Ladung pro Masse e∕m:
durch Massenspektrometer (Methode aus der Elektrizitätslehre)
Elektronenladung e:
durch den Millikan-Versuch oder durch Elektrolyse
Elektronenradius r:
durch Streuversuche

4.2.1  Ladung des Elektrons

Die Ladung eines Elektrons kann auf elektrochemischem Wege bestimmt werden:

Elektrolyse
Man bestimmt die umgesetzte Molzahl und daraus mit der Gaskonstante R die Materiemenge. Durch Bestimmung der Gesamtladung über eine Integration des Stromes erhält man die Faraday-Zahl F = e·NA
Massenspektrometer
In gekreuzten E- und B-Feldern bestimmt man e∕me.

4.2.1.1. Millikan-Versuch

Der Millikan-Versuch [Mil11Mil13Hol00] ermöglicht eine direkte Bestimmung von e. Millikans Schlüsselidee war, über die viskose Reibung von kleinen Öltröpfchen die Kraft eines elektrischen Feldes auf Ladungen zu bestimmen.

PIC

Bestimmung der Elektronenladung nach Millikan[Mil11, Mil13]

Der Versuch wird in einer Anordnung wie in Abbildung 4.2.1.1 durchgeführt.

Ein Öltröpfchen mit dem Durchmesser 2r und der Masse mT = 4π3ρT r3 wird zwischen die Platten eines Kondensators (Abstand d) gebracht. Auf dem Öltröpfchen befindet sich die Ladung q. Unter dem Einfluss der Gravitation FG, des Auftriebs FA in Luft (Dichte ρL) und des elektrischen Feldes FE bewegt sich das Öltröpfchen mit der konstanten Geschwindigkeit v, gegeben durch die Stokesche Reibungskraft FS .

Dabei treten die folgenden Kräfte auf:

F G + F E + F A + F S = 0
(4.1)

Stokes Gesetz für eine laminare Strömung sagt:

F  =  - 6πηvr
  S
(4.2)

Die elektrostatische Kraft Kraft ist:

F   = qE  = qgrad  U =  qU-e
  E                      d  E
(4.3)

Dann muss auch die Gravitation berücksichtigt werden:

F G =  mT g =  4πρT r3g
               3
(4.4)

Schliesslich haben die Tröpfchen in Luft einen Auftrieb:

F   =  - 4πρ  r3g
  A      3   L
(4.5)

Kombiniert man die obigen Gleichungen, erhält man für den Zusammenhang von Ladung und Geschwindigkeit

4π         4π
--ρT r3g - ---ρLr3g + qgrad  U  = - 6πηvr
3           3
(4.6)

Betragsmässig ergibt sich

4-π(ρT -  ρL)r3g + qU- = 6π ηvr
 3                   d
(4.7)

und

 U-            4π-           3
q d = 6 πηvr -  3 (ρT -  ρL)r g
(4.8)

Damit kann die Ladung über das elektrische Feld (oder die Spannung), die Dichten, die Viskosität, die Fallstrecke und den Tröpfchendurchmesser bestimmt werden

        (                      )
                2-           2   d-
q =  2πr  3ηv - 3 (ρT - ρL )r g  U
(4.9)

Im Einzelnen läuft der Versuch wie folgt ab:

Freier Fall mit U = 0
0 = 6πηvr -  4π-(ρ  - ρ ) r3g
              3   T    L

          2            2
0 = 3ηv - --(ρT - ρL )r g
          3

      ∘ ---ηv--------
r = 3   ------Fall----
        2(ρT - ρL )g
(4.10)

Schwebezustand (v = 0)
  U-     4π-          3
q d =  - 3  (ρT -  ρL)r g

                                          (              )3∕2
      4π-           3 -d     4π-            ---9ηvF-all---      d-
q = -  3 (ρT - ρL )r gU  = -  3 (ρT - ρL )  2 (ρT - ρL)g     g U

      √ --    (           )1 ∕2
      --29πd-- ---η3v3Fall--
q = -    U     (ρT - ρL )g
(4.11)

Gemessene Geschwindigkeit v
    6πrd  (     2              )
q = -----  ηv - --(ρT - ρL )r2g
      U         9
(4.12)

Millikan[Mil13] erhielt als Wert für die Elektronenladung e = 1.592·10-19C.

PIC Versuch zur Vorlesung: Millikan-Versuch: Ladung von Öltröpfchen (Versuchskarte AT-13)

4.2.2  Grösse des Elektrons

Das Elektron mit seiner kleinen Masse ist eines der ausgeprägtesten quantenmechanischen Objekte. Wenn man annimmt, dass die Selbstenergie des elektrischen Feldes der relativistischen Ruheenergie des Elektrons entspricht, kann ein klassischer Elektronenradius re,class = 2.8·10-15 m bestimmt werden. Belloni [Bel81] zeigt, dass eine andere Überlegung von Fermi auf einen etwa 12 mal grösseren Elektronenradius führt. Neuere Experimente durch zum Beispiel Dehmelt [Deh88] haben jedoch gezeigt, dass der quantenmechanisch korrektere Radius des Elektrons re,QM < 10-22 m sein muss. Genaueres ist nicht bekannt, es gibt keine abschliessende Aussage über den Elektronenradius. Es kann gut sein, dass ein Elektron ein mathematisches Punktteilchen ist, eine Divergenz im Raum.

Um den klassischen Elektronenradius zu berechnen, beginnen wir mit der Ladungsdichte ρel einer homogen geladenen Kugel mit dem Radius r

        4π-   3
Q (r) =  3 ρelr

Wenn bei der gleichen Ladungsdichte eine Kugelschale mit der Dicke dr dazugefügt wird, trägt diese eine Ladung

               2
dQ (r) = 4 πρelr dr

Die Ladung Q wirkt auf eine Probeladung dQ im Abstand r vom Zentrum von Q mit der Kraft

F (r) = -1---QdQ--
        4πε0  r2

Hält man nun Q und dQ fest und führt dQ vom Unendlichen auf die Distanz r, so muss die folgende Energie zugeführt werden:

               r                  r
              ∫             QdQ  ∫  1        1  QdQ
dEpot (r) = -    F (r )dr =  - 4πε--  r2 dr = 4π-ε---r--
             ∞                 0 ∞             0

Die gesamte Energie in der homogen geladenen Kugel ist

         ∫r              ∫r                   ∫r 4π    3      2
                    --1--   Q(r)dQ-(r)-  --1--   -3 ρelr-4πρelr      4πr5-
Epot,tot =   dEpot = 4π ε0       r      = 4 πε0         r       dr =  15ε0
          0              0                     0

Die Ladungsdichte kann mit

e = 4π-ρr3
     3

ersetzt werden, so dass wir für eine homogen geladene Kugel bekommen

                     -3e2---
Eselbst,homogen(e, r) = 20πε r
                         0
(4.13)

Diese Energie setzen wir der relativistischen Ruheenergie der Masse me gleich.

           2
Erel = mec
(4.14)

Setzen wir Gleichung (4.13) und Gleichung (4.14) gleich und lösen nach re auf, erhalten wir

                         2
r             = 3---1---e---=  1.7 ·10 -15 m
 e,class,homogen   5 4πε0 mec2
(4.15)

Andererseits kann man den klassischen Elektronenradius auch berechnen, wenn man annimmt, dass die gesamte Ladung an der Oberfläche konzentriert sei. Dazu betrachtet man das elektrische Feld einer Ladung e

          --1--e-
E (r) = - 4π ϵ0 r2

Die Energiedichte dieser Ladung ausserhalb ist

        ϵ0 (    1  e )2       e2
w (r) = --  - ------2   = ----2---4
        2     4πϵ0 r      32 π ϵ0r

Der Energieinhalt des elektrischen Feldes ausserhalb in Kugelkoordinaten ist

           ∞∫ ∫π∫2π
EF eld  =          w(r)·r2sin (Θ )·dr ·d Θ ·d ϕ
           re 0 0
              ∞∫
                       2
       =   4π   w (r)·r  ·dr
             re
              ∞∫    e2
       =   4π   ----2--2-·dr
             re 32π  ϵ0r
             2  ∞∫
       =   -e---  -1 ·dr
           8πϵ0   r2
               2re  |∞       2
             -e---1||     --e----
       =   - 8πϵ0 r|re = 8π ϵ0re

Durch Gleichsetzen mit Gleichung (4.14) erhalten wir

              1    e2
re,class,Schale = ----------2 = 1.4·10 -15m
              2 4πϵ0mec
(4.16)

Wir haben also zwei leicht unterschiedliche Resultate für die homogene Ladung und die Oberflächenladung. Sie unterscheiden sich durch die Vorfaktoren 35 und 12. Deshalb, und weil es im cgs-System so schön aussieht definiert man

Der klassische Elektronenradius ist

             e2
re,class = --------- = 2.8·10 - 15m
         4π ϵ0mec2
(4.17)



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