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5.2  Herleitung der Schrödingergleichung

Wir haben gesehen, dass Materieteilchen bei gewissen Experimenten Interferenzerscheinungen zeigen. Wir brauchen also eine konsistente Beschreibung von Materieteilchen als Wellen. Die Schrödingergleichung ist eine Gleichung für eine Wellenfunktion ψ(r,t). Wir werden sehen, dass ψ(r,t) nicht direkt beobachtet werden kann.

5.2.1  Erste Möglichkeit der Herleitung der zeitunabhängigen Schrödingergleichung

Wir leiten die eindimensionale Schrödingergleichung in den Koordinaten (x,t) her, indem wir den Ansatz ψ(x) = A exp [i(kx −  ωt)] verwenden. Wir erinnern uns an die de Broglie-Beziehung p = h∕λ = k aus Gleichung (4.1). Die erste und die zweite örtliche Ableitung unseres Ansatzes sind

-∂-ψ =  ikA exp [i(kx − ωt )] = ikψ
∂x
(5.1)

und

∂2          2                       2
∂x2ψ  = (ik) A exp [i(kx − ωt)] = − k ψ
(5.2)

Unser Ansatz ψ(x,t) = A exp [i(kx − ωt )], mit k = 2π∕λ und ω = 2πν, ist auch eine Lösung der Wellengleichung

  2               2
-∂--ψ (x,t) = 1-∂--ψ (x,t)
∂x2           c2∂t2
(5.3)

wobei c = λν = ω∕k die Ausbreitungsgeschwindigkeit ist. Gleichzeitig ist

 ∂2
----ψ (x, t) = − k2ψ (x,t)
∂x2
(5.4)

und

  2
-∂--ψ(x,t) = − ω2ψ (x,t)
∂t2
(5.5)

Nach Planck setzen wir für die Energie E = ω an. Das Teilchen habe den de Broglie-Impuls p = k. Wir verwenden die relativistische Energie-Impulsbeziehung und entwickeln in eine Reihe.

                         ∘ ------------
Erel = m (v)c2 = γmc2 =    m2c4 + p2c2 = mc2+p2  ∕2m+...
(5.6)

wobei γ = 1∘-----2--2
 1 − v ∕c ist.

Für nichtrelativistische Geschwindigkeiten v « c können relativistische Effekte vernachlässigt werden. Dann ist die kinetische Energie

Ekin = p2∕2m
(5.7)

mit p = mv = k. Andererseits kann die kinetische Energie T auch geschrieben werden als T = E V = (2k2)(2m) mit k2 = 2m(E V )2. Wir erhalten also

   ℏ2  ∂2
− ------2-ψ + V ψ = E ψ
  2m  ∂x
(5.8)

Dieser Weg zur Herleitung der Schrödingergleichung ist Schrödingers originaler Weg zur Beschreibung von Materiewellen.

5.2.2  Zweite Möglichkeit der Herleitung der Schrödingergleichung

Die Schrödingergleichung kann auch mit einer zweiten Methode hergeleitet werden. Das Hamiltonsche Extremalprinzip fordert, dass die Wirkung eines Systems beschrieben durch die Lagrange-Funktion L(q,q˙,t) extremal ist, das heisst

       ∫

δS =  δ  L (q, ˙q,t)dt = 0
(5.9)

Aus dieser Foderung ergibt sich bei einem zeitunabhängigen Potential die Hamilton-Funktion als die Summe der kinetischen und der potentiellen Energie

H  = T  + V
(5.10)

V soll hier nur eine Funktion von x sein. Die kinetische Energie ist T = p2(2m), wobei p der Impuls eines punktförmigen Teilchens mit der Masse m ist. Wir wissen nach Planck, dass die Energie einer Welle E = ω ist. Der Impuls kann gleichzeitig auch als p = k geschrieben werden. Wenn sich ein Teilchen mit der Masse m bewegt, kann ihm eine de Broglie-Wellenlänge λdB = h∕p zugeschrieben werden. Äquivalent zu (5.1) und (5.2), aber universeller, sind die hier angegebenen Gleichungen

ℏ ∂
----ψ =  ℏkψ =  pψ
i∂x
(5.11)

oder

    2  2       2 2
− ℏ---∂--ψ =  ℏ-k-ψ =  Tψ
  2m ∂x2      2m
(5.12)

Wir definieren den Impulsoperator

      ℏ ∂         ∂
^px =  ---- = − iℏ---
      i∂x        ∂x
(5.13)

und den Operator der kinetischen Energie

         2   2
^T  = − -ℏ--∂---
 x     2m  ∂x2
(5.14)

Wir wollen nun noch die Zeitabhängigkeit bestimmen. Die erste zeitliche Ableitung von ψ ist

∂ψ                                         ∂ψ
--- = − iωA exp [i(kx− ωt )] = − iωψ  E==⇒ℏω iℏ --- = iℏ(− iω)ψ  = E ψ = ^E ψ
∂t                                         ∂t
(5.15)

Den Operator der Gesamtenergie E definieren wir deshalb so:

 ^     -∂-
E  = iℏ∂t
(5.16)

Wenn ^V zeitunabhängig ist, können wir den Operator für die Hamiltonfunktion definieren

                  2  2
^    ^    ^     ℏ---∂--
H =  T + V  = − 2m ∂x2  + V
(5.17)

wenn ^V = V ist.

Wenn wir die Gesamtenergie gleich der Hamiltonfunktion setzen, also ^E = ^T + V^ = ^H, bekommen wir die Schrödingergleichung als Analogon zur klassischen Hamilton-Funktion H = T + V . Operatoren müssen immer auf etwas wirken, hier auf die Wellenfunktion ψ.

                      ∂        ℏ2  ∂2
^E ψ = ^H ψ      = ⇒  iℏ--ψ =  − -------ψ + V ψ
                      ∂t       2m ∂x2
(5.18)

Wir haben in dieser Herleitung angenommen, dass die potentielle Energie zeitlich konstant ist. Dann hat der Hamiltonoperator Eigenwerte. Wir können schreiben:

^H ψ = E ψ
(5.19)

Dies ist die stationäre, zeitunabhängige Schrödingergleichung. Die Lösungen der Gleichungen sind harmonische Wellen

ψ (x,t) = A exp [i(kx − ωt)] = A exp (ikx )exp (− iωt )

5.2.3  Wahrscheinlichkeitsinterpretation

Die Lösung der Schrödingergleichung, die Wellenfunktion ψ(x,t) kann nicht direkt beobachtet werden. Nach der Kopenhagener Interpretation ist das Skalarprodukt

 ∗
ψ (r,t)· ψ(r,t)dV  = p(r,t)dV  = p(r,t)dxdydz
(5.20)

gleich der Wahrscheinlichkeit, das System beschrieben durch ψ(r,t) zur Zeit t am Ort r im Volumen dV = dxdydz zu finden.

Zum Beispiel hat ein Teilchen in einem unendlich hohen Potentialkasten die Wellenfunktion

         1   1     ( 2πi  )   1   1      ( − 2πi )    u1(x)  u2(x)
ψ(x ) = √---√a--exp  -a-x  − -√--√a--exp   -a---x  =  -√---− -√----
          2                    2                         2      2
(5.21)

Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen mit der Teilwellenfunktion u1 oder u2 im Potentialkasten zu finden, ist

          ∫a
p (u1,2) =   u∗1,2u1,2dx = 1
          0
(5.22)

Mit einer Wahrscheinlichkeit von 12 misst man Teilchen, die nach links oder rechts laufen. Dies heisst, dass der Vorfaktor von u1 und u2 1√ --
  2 ist. Man kann nachrechnen, dass auch

 ∫a                1 ∫a               1 ∫a
   ψ ∗(x)ψ(x )dx  = --  u∗1(x)u1 (x )dx+ --  u∗2(x )u2 (x )dx
 0                 2 0                2 0
              ∫a
          − 1-  (u ∗(x )u2 (x) + u ∗(x )u1(x))dx
            2      1            2
              0       a
  1-      1-       1-∫ ( 2πix∕a 2πix∕a    −2πix∕a − 2πix∕a)
= 2p (u1 )+2 p(u2)− a    e     e      + e      e        dx
                     0
                                     1-        1-
                                   = 2 p(u1) + 2p(u2)
(5.23)

Wenn wir nun den Erwartungswert eines Operators ^f berechnen wollen, müssen wir den gewichteten Mittelwert ausrechnen. Für übliche Funktionen f(x) mit der Gewichtsfunktion g(x) ((g(x) 0) (g(x) nicht identisch = 0) ) ist dies

       ∫
⟨f ⟩ = -f∫(x)g(x)dx-
           g(x)dx
(5.24)

In unserem Falle ist die Gewichtsfunktion g(x) = p(x) = ψ(x)·ψ(x), die Wahrscheinlichkeitsdichte. Da die Wahrscheinlichkeitsdichten normiert sind, ist g(x)dx = ψψdx = 1. Wir erhalten für den Erwartungswert der Funktion f

                  ∞∫             ∞∫
⟨f⟩ = ⟨ψ|f |ψ⟩ =    f p(x)dx =    ψ ∗(x)fψ (x)dx

                 −∞            −∞
(5.25)

Wenn ^f ein Operator ist, muss der Erwartungswert

⟨ ⟩               ∞∫
 ^f  = ⟨ψ |^f |ψ⟩ =   ψ ∗(x)^fψ(x)dx

                 −∞
(5.26)

sein.

___________________________________________________________________________



Grösse Erwartungswert


Ort x ⟨^x⟩ = −∞ψ^xψdx = −∞x|ψ |2dx = ⟨ψ|^x|ψ ⟩
Potential V ⟨  ⟩
 V^ = −∞ψ^Vψdx = −∞V |ψ|2dx = ⟨ψ | ^V|ψ ⟩
Impuls px ⟨^px⟩ = −∞ψ^p xψdx = −∞ψ( ℏ∂-)
  i∂xψdx = ⟨ψ|^px|ψ ⟩
Energie Ekin ⟨     ⟩
  ^Ekin = −∞ψ^E kinψdx = −∞ψ(       )
 − -ℏ2-Δ
   2m0ψdx = ⟨ψ|E^kin|ψ ⟩


Erwartungswerte für normierte Wellenfunktionen ψ.

_____________________________________________________________________

Tabelle 5.2.3 gibt einige Erwartungswerte an. Verwenden Sie die Tabelle als Anleitung, wie Erwartungwerte berechnet werden sollen. Zur Schreibweise:

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