Aufgabenblatt zum Seminar 05
PHYS70357 Elektrizitätslehre und Magnetismus
(Physik, Wirtschaftsphysik, Physik Lehramt, Nebenfach Physik)

Othmar Marti, (othmar.marti@uni-ulm.de)

20. 05. 2009

1 Aufgaben

  1. Ein Staubkorn (Masse 210-9 g, Ladung 610-17 C) würde infolge seines Gewichtes und der Viskosität der Luft in dieser mit einer Geschwindigkeit von 2 cm/s sinken. In einem quadratischen Abluftkamin (Seitenlänge a = 1 m) sollen solche Staubteilchen elektrisch aus der Luft entfernt werden. Dazu werden vertikale Platten der Länge L = 1 m im Abstand von d = 10 cm zueinander im Inneren des Kamins befestigt und zwischen ihnen jeweils eine Spannung von U = 10 kV angelegt. Wie schnell darf die Abluft in diesem Kamin steigen, damit 90 % aller Staubteilchen die Platten erreichen können?

    Zusatzfrage: Wie hängt das Ergebnis von der Lufttemperatur und dem Luftdruck ab?

  2. Mit Kondensatoren wird eine unendlich lange Leiter erzeugt, und zwar so, dass die Leiter mit einer Sprosse beginnt. Für die Sprossen sollen Kondensatoren von CSprosse = 15 µF verwendet werden. Die Holmen zwischen zwei Sprossen bestehen links und rechts je aus einem Kondensator CHolm = 22 µF. Wie gross ist die Gesamtkapazität der Leiter, gemessen links und rechts an der ersten Sprosse?
  3. Ein Galvaniseur sammelt die Reste zweier zyanidhaltiger wässriger Lösungen seiner Arbeitssubstanzen in einem gemeinsamem Behälter. Diese Mischung wurde aus Versehen benutzt zum Galvanisieren in einem Trog, in dem die Elektroden (Fläche je 30 cm2) im Abstand von 10 cm an eine Spannung von 10 V angeschlossen wurden. Wie gross war der Anfangsstrom?

    Die mittlere Dichte der Lösungen sei 1, 3 g/cm3. Im Abfall befanden sich folgende Ionen:

    Gewichtsanteil am Gesamtabfall

    Ionenart

    Ionen-Molgewicht in g/mol

    Ionengewicht in der Lösung

    Ionenbeweglichkeit (10-8 m2/(Vs))

    Lösung 1:

    20 %

    Au+

    197

    13,7  %

    3,4

    K+

     39

     2,71 %

    7,6

    CN-

     26

     3,62 %

    9,0

    Lösung 2:

    80 %

    Ag+

    108

    12,2  %

    6,2

    K+

     39

     5,3  %

    7,6

    Na+

     23

     0,7  %

    5,2

    CN-

     26

     7,26 %

    9,0

    Das Wasser sei nicht dissoziiert. (Die Faradaykonstante F = 9.65104 C/mol gibt an, wie gross die Ladung eines Mols einwertiger Ionen ist.)

    Sind die Gewichtsangaben für das Zyanid notwendig oder ergäben sich diese, falls die Lösungen insgesamt ungeladen wären?

  4. Die molekulare Polarisierbarkeit von Ethanol ist α = 2310-40 Asm2/V. Berechne daraus die (relative) Dielektrizitätskonstante von Ethanol. (Molekulargewicht: 46 g/mol, Dichte: 0.79 g/cm3).
  5. Ein 100 m langer Aluminiumdraht von 1 mm Durchmesser hat einen elektrischen Widerstand von 3, 5 Ω. Die Beweglichkeit der Leitungselektronen im Aluminium beträgt μ = 1.2610-3 m2/(Vs). Sie ist durch
    v  = μ⋅E
 0

    definiert, wobei E das elektrische Feld und v0 die Geschwindigkeit der Ladungsträger ist.

    1. Wie gross ist die Elektronendichte?
    2. Wie ist die Elekronendichte pro Atom?

    (Dichte von Aluminium = 2.7103 kg/m3, in 27 g Aluminium befinden sich N A = 61023 Atome).

  6. Ein Plattenkondensator (C =  1 µF) aus kreisförmigen Platten mit Radius rc, gefüllt mit einer 0.1 mm dicken Folie mit relativer Dielektrizitätskonstante εr = 3.6, wird über einen Widerstand (R =  1 kΩ) mit einer Spannung von U = 100 V geladen.

    1. Wie gross ist der Durchmesser der Platten?
    2. Wie gross ist die Ladung im stationären Zustand?
    3. Wie gross sind zu Zeitpunkten 1 µs, 30 µs, 1 ms, 1 s nach Anlegen der Spannung die relativen Ladungen des Kondensators im Vergleich zur Endladung?
    4. Die Spannungszuführung bei dem Kondensator erfolgt im Mittelpunkt der Plattenflächen. Wie gross ist der radiale Strom auf den Platten am Ort des halben Plattenradiuses zum Zeitpunkt, zu dem der Kondensator halb geladen ist?

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  7. (Im Seminar 12 Minuten)

    Ein Ringpotentiometer (Widerstand mit Schleiferabgriff) wird zur Winkelmessung benutzt in einem Winkelbereich von 324°. Dazu wird ein Draht (Durchmesser 0.2 mm) auf einen Ring mit Durchmesser 5 cm gewickelt, auf dem der Schleifer sich bewegen kann. An den Enden des Drahtes wird eine Spannung von 9.5 V angelegt.

    1. Welche (Spannungs-) Auflösung sollte das verwendete Anzeigegerät mindestens haben?
    2. Welcher Winkelauflösung entspricht dies?
    3. Wie könnte die Winkelauflösung verbessert werden?

    PIC

    Beisüpiel eines Drahtpotentiometers (Bild aus wikipedia)

2 Lösungen

  1. Die Sinkgeschwindigkeit vL der Staubteilchen in ruhender Luft berechnet sich nach Stokes über mg = 6πηrvL

    Die Kraft im elektrischen Feld ist QE und demnach erhält man die Driftgeschwindigkeit zu den Platten zu

    Q ⋅E =  6πηrvE

    Der Driftweg beträgt für 90% aller Teilchen maximal sE = 0.9d und damit die Driftzeit zu tE = svE
 E.

    Die Luftströmgeschwindigkeit vS muss also so sein, dass die Teilchen in dieser Zeit maximal die Länge L zurückgelegt haben, also tE = Lv-
S.

    Die Feldstärke E ergibt sich einfach zu E = Ud-.

    Damit erhält man

    vs = L--
tE = L-⋅vE-
 sE =          --L⋅Q⋅E----
         0.9 ⋅d⋅6πηr
    = L ⋅Q ⋅U⋅vL
----2-----
0.9⋅d ⋅m ⋅g = 10 cm/s
    Das Resultat hängt nicht von der Viskosität der Luft ab, also auch nicht von der Temperatur und dem Druck.
  2. Das Problem ist leicht lösbar, wenn man erkennt, dass eine Leiter ohne die erste Sprosse und die beiden Holmenstücke genau die gleiche Kapazität haben muss wie mit den beiden, da die Leiter ja unendlich lang ist. Sei CLeiter die Kapazität der Leiter. Dann ist
    CLeiter = CSprosse +            1
---1-------1-------1--
CHolm +  CLeiter + CHolm
    = CSprosse + -------1------
---2- +  --1---
CHolm    CLeiter
    = CSprosse + --CHolmCLeiter--
2CLeiter + CHolm
    CHolmCLeiter = (2C      + C     )
    Leiter     Holm (C      - C       )
  Leiter    Sprosse
    0 = 2CLeiter2 + C Leiter(- 2CSprosse + CHolm - CHolm ) - CSprosseCHolm
    0 = 2CLeiter2 - 2C LeiterCSprosse - CSprosseCHolm
    CLeiter =            ∘  ----------------------------
2CSprosse ±   4C2Sprosse + 4⋅2CSprosseCHolm
-----------------------------------------
                    4
    = 1
--
2CSprosse(     ∘ -------------)
              C
  1 ±   1 + 2---Holm-
             CSprosse
    Nur das positive Resultat ist physikalisch sinnvoll, also
    CLeiter = 22.37447478  µF

  3. Der Stromanteil Ij am Gesamtstrom I durch ein Ion j ergibt sich aus dessen Konzentration cj = Anzahl/Volumen, dem angelegten elektrischen Feld Ud- (U = Spannung an den Elektroden, d = Elektrodenabstand), der Elektrodenfläche A, der Beweglichkeit μj und der Ionenladung qj
           U-
Ij = cj⋅d ⋅A ⋅μj ⋅qj

    Die Ladungsdichte cjqj infolge des Ions j ergibt sich aus dem Gewichtsanteil ai der Lösung i an der Gesamtmenge, dem Gewichtsanteil bij des Ions j in der Lösung i, dem Molekulargewicht des Ions mj und der Dichte der Lösung ρ zu

                bij
cj⋅qj = ρ⋅ai⋅m--⋅F ⋅nj
             j

    wobei nj die Zahl der Elementarladungen e0 des Ions ist und F die Faraday-Konstante.  Zusammen ergibt sich damit für den Anteil des Ions j:

             U       bij
Ij = F⋅ρ⋅--⋅A⋅ai⋅---⋅nj⋅μj
         d       mj

    Der Gesamtstrom ergibt sich aus der Summation über alle Ionen:

            U-   ∑    ∑   bij
I =  Fρ ⋅d ⋅A ⋅  ai   m  ⋅nj⋅μj
               i    j   j

    Für die Anionen (hier CN-) hat n j ein negatives Vorzeichen, aber die Beweglichkeit ist in diesem Fall ebenfalls negativ, so dass hier mit den Beträgen gerechnet werden kann.

    Durch Einsetzen und Aufsummieren aller Grössen ergibt sich

    I = 14.8 A

  4. Das Gesetz von Clausius-Mosotti verknüpft die makroskopische (relative) Dielektrizitätskonstante εr mit der mikroskopischen Polarisierbarkeit α gemäss 
    εr - 1   N  α
------=  ----
εr + 2   3 ε0

    wobei N die Dichte der induzierten Dipole ist. Bei Verwendung von makroskopischer Dichte ρ und Molekulargewicht μ ergibt sich

    εr --1   -1 ρ-NA--
εr + 2 = ε0 μ⋅ 3 ⋅α

    mit NA = Avogadrozahl  61023 /mol.

    Umgeformt ergibt sich

         1 + 2-ρNA-α
εr = ----ε0μ-3---=  25.9
     1 - 1ε0 ρμNA3-α

  5. Der Draht hat die Länge = 100 m und den Querschnitt A = π
4d2 (d = Durchmesser). Wenn eine Spannung U0 an den Drahtenden angelegt wird, so fliesst ein Strom I0 = U0
 R. Die Geschwindigkeit v0 der Leitungselektronen im Draht hängt von der Feldstärke U0
 ℓ ab und der Beweglichkeit μ:
           U0-
v0 = μ⋅ ℓ

    Bei Elektronendichte n = N-
V im Draht ist der Strom bei der Bewegung der Elektronen durch den Drahtquerschnitt A

    I =  v⋅e0⋅n⋅A

    mit e0 = Betrag der Elektronenladung.

    Bei der Spannung U0 ist also:

    I0 = v0⋅e0⋅nA  = μ U0-⋅e0⋅nA  = U0-
                   ℓ          R

    Damit ergibt sich (e0 = 1.610-19 C)

    n = ----ℓ---- =  ----4ℓ------= 1.8⋅1029 /m3
    μ  e0⋅A  R    π d2⋅μ e0⋅R

    Bei einer Dichte von ρ = 2700 kg/m3 und einer spezifischen Atomanzahl NmA- =    23
60⋅1.0027- /kg ergibt sich somit Ne = -n⋅m
ρ⋅NA = 3 als Zahl der Elektronen pro Atom.

  6.  

    1. Die Kapazität C eines Plattenkondensators errechnet sich aus dessen geometrischen Abmessungen:

      Fläche A, Plattenabstand x und der Dielektrizitätskonstanten ε = εrε0 zu

            A        A
C =  ε-- = εrε0--
      x        x

      Bei kreisförmigen Platten ist die Fläche A = πr2 = π
4d2 (d = Durchmesser)

      Also:

          ∘ ------
       4Cx
d =    ------= 2 m
       εrε0π

    2. Der stationäre Zustand wird nach langer Zeit (gegenüber der Zeitkonstanten τ = RC) erreicht. Da dann der Restladestrom gegen Null strebt, fällt am Widerstand keine Spannung mehr ab (UR  = R ⋅I ) und somit ist die Spannung am Kondensator Uc = U gleich der angelegten Spannung U. Damit ergibt sich die Ladung zu
                    - 4
Q  = C ⋅U  = 10   C

    3. Die Spannung am Kondensator folgt der Differenz zwischen dem Endwert und einer fallenden Exponentialkurve, also
              (        )
Uc =  U⋅  1 - e- tτ

      Die relative Ladung yi zu einem Zeitpunkt ti ist also:

                     (     - ti∕τ)
y =  Qi-=  C-⋅U--1---e------=  1 - e-ti∕τ
 i   Q           C⋅U

      mit τ = RC = 10-3 s ergeben sich die relativen Ladungen.

      y  = 10- 3; 0,03; 0,63; 1 - 10 -89
 i

    4. Der Strom in den Kondensator ist die zeitliche Ableitung der Ladung auf dem Kondensator, also:
                                (      t)
    dQ       dU         d  1 - e-τ     CU     t
I = --- = C ⋅--0-=  C⋅U ------------ = ----⋅e-τ
    dt        dt             dt         τ

      Zum Zeitpunkt der halben Ladung ist:

           Q 1               t1
yh = --2-=  1-= 1 - e- 2τ-
      Q     2

      Damit ist:

                         (            )
t1=  - π ⋅ln (1 - yh) = 6.9 ⋅10- 4 s
 2

      Somit ist der Strom:

      I12 = CU--
 τe-t12
τ = CU--
 τeln (1-yh) =
      CU
----
 τ(1 - yh ) = 1
--
2CU
----
 τ = 1
--
2CU
----
RC = 1
--
2U
--
R = 0, 05A

      Bei homogener Ladungsdichte auf den Platten ist die Ladung innerhalb des Halbradiuses der Platte 1
4 der Gesamtladung.

      Damit muss der radiale Strom beim Halbradius entsprechend den Flächen (1 - 1)
     4 = 3
4 des ganzen Stromes betragen, also:

            1U  3
Ir1=  ---⋅--=  0.0375  A
  2   2R  4

  7. Das Wickeln um einen Ring kann, ohne Gefahr des Abgleitens des Drahtes, nur so geschehen, dass der Draht immer wieder durch den Ring gefädelt und aussen um den Ring herumgeführt wird. Wenn nun die so entstandenen Wicklungen des Drahtes möglichst eng aneinander gepresst werden, gibt es in einem Winkelbereich φ und bei einem Durchmesser D des Ringes, mit Drahtdurchmesser d insgesamt N = φ⋅D-
 d⋅2 Wicklungen (φ im Bogenmass).

    Bei optimalen Abgriff können nun diese Wicklungen einzeln detektiert werden. Die Messauflösung sollte also bei einem Speisespannung von U0 sein:

           U     U  ⋅2d    9.5V ⋅0.2 mm  ⋅2
ΔU   = --0 = --0---=  ----∘----------=  13⋅10 -3 V ≈ 0.01 V
       N      φ⋅D      332640 ∘⋅2π⋅5 cm

    Dies entspricht einer Winkelauflösung von

    Δ φ ≈  8⋅10 -3 ≈ 0.46∘

    Eine Verbesserung kann geschehen durch

    1. Vergrösserung des Ringradiuses
    2. Verwendung eines dünneren Drahtes
    3. Ausgiessen der Zwischenräume zwischen den Drahtwindungen durch ein leitendes Material, das aber eine sehr viel kleinere Leitfähigkeit hat als der verwendete Draht. Dadurch gibt es auch Zwischenwerte in der abgegriffenen Spannung zwischen denen, die an den Drahtwicklungen herrschen.