Die Kontinuitätsgleichung und der Begriff des Stromes

(Siehe Leisi, Klassische Physik II [Lei98, pp. 64])





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Berechnung des Stromes in einem Medium




Wir betrachten Ladungsträger mit der einheitlichen Ladung $ q$. Die Ladungsträgerdichte $ n_{j}$ habe die Geschwindigkeit $ \vec{v}_{j}$.

Der Strom $ \delta I_{j}$ durch das Flächenelement $ d\vec{a}$ ist

$\displaystyle \delta I_{j}=\frac{\delta Q_{j}}{dt}$ (3.136)

Die Ladungsmenge ist

$\displaystyle \delta Q_{j}=qn_{j}\mid\vec{v}_{j}\mid\cdot dt\cdot\cos\alpha\cdot\mid d\vec{a}\mid$ (3.137)

und damit

$\displaystyle \delta I_{j}=qn_{j}\mid\vec{v}_{j}\mid\cos\alpha\mid d\vec{a}\mid=qn_{j} \vec{v}_{j}\cdot d\vec{a}$ (3.138)

Der gesamte Strom der Ladungsträger $ q$ ist dann

$\displaystyle dI\left( d\vec{a}\right) =nq\;\frac{1}{n}\left( \sum\limits_{j}n_{j} \vec{v}_{j}\right) \cdot d\vec{a}$ (3.139)

wobei $ n=\Sigma n_{j}$ ist.

Die mittlere Geschwindigkeit der Ladungsträger ist

$\displaystyle <\vec{v}>=\frac{1}{n}\sum\limits_{j}n_j\cdot \vec{v}_{j}$ (3.140)

Wir definieren das Vektorfeld der Stromdichte

$\displaystyle \vec{i}=nq<\vec{v}>$ (3.141)

$ \overrightarrow{i}$ ist abhängig vom Ort, da auch $ n$ und $ <\overrightarrow{v}>$ ortsabhängig sind.

Der Strom bezüglich $ d\vec{a}$ ist dann

$\displaystyle dI\left( d\vec{a}\right) =\vec{i}\cdot d\vec{a}$ (3.142)

und, integriert,

$\displaystyle I\left( A\right) =\int\limits_{A}\vec{i}\cdot d\vec{a}$ (3.143)

Diese Gleichung besagt, dass der Strom gleich dem Fluss des Stromdichtefeldes durch eine Fläche $ A$ ist.

Wird der Strom durch mehrere Arten von Ladungsträgern gebildet, schreibt man

$\displaystyle \vec{i}=\sum\limits_{k}n_{k}q_{k}<\vec{v}_{k}>$ (3.144)


Beispiel

Driftgeschwindigkeit in einem Kupferdraht mit $ 10 mm$ Durchmesser und $ I=100 A$

Annahme: 1 Elektron pro Cu - Atom

Anzahl Cu - Atome pro Volumen


$\displaystyle n_{a}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\rho N_A}{M_{Mol}}=\frac{8930\frac{kg}{m^{3}}\cdot 6.02\cdot10^{23}
\frac{1}{Mol}}{0.0635kg/Mol}$ (3.145)
$\displaystyle $ $\displaystyle =$ $\displaystyle 8.47\cdot10^{28}\frac{1}{m^{3}}=n_{e}$  


$\displaystyle \left\langle v\right\rangle$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{I}{n e A}=$ (3.146)
$\displaystyle $ $\displaystyle $ $\displaystyle \frac{100A}{ 8.47\cdot10^{28}\frac{1}{m^{3}}\cdot\frac{\pi}{4}\left( 0.01\right)
^{2}m^{2}\cdot1.6\cdot10^{-19}C
}$  
$\displaystyle $ $\displaystyle \approx$ $\displaystyle 1 \mu m/s$  

Mit $ v(t) = v_0\cos(2\pi \nu t)$ und $ x(t) = \int v(t) dt$ hat man

$\displaystyle x(t) = \frac{v_0}{2\pi \nu} \sin (2\pi \nu t) + \mathrm{const}$

Die maximale Strecke erhält man wenn der Sinus von $ -1$ nach $ +1$ geht.

Folgerung: bei $ \nu = 50 Hz$ Wechselstrom zittern die Elektronen einige $ \frac{1 \mu m/s}{2\pi \cdot 50 Hz}
\cdot 2 \approx 6.4 nm$ weit.





\includegraphics[width=0.6\textwidth]{elektrostatik-026}
Berechnung des Flusses eines Stromdichtefeldes durch ein geschlossenes Gebiet




Wir betrachten eine geschlossene Fläche $ A$, die wir in zwei Teilflächen $ A'$ und $ A''$ aufteilen, so dass auf der Fläche $ A'$ die Feldlinie aus der Fläche austreten und auf der Fläche $ A''$ sie eindringen.

Die Ladungserhaltung fordert:

$\displaystyle I_{aus}-I_{ein}=-\frac{d}{dt}Q_{innen}$ (3.147)

Wir schreiben die Gleichung mit der Stromdichte um

$\displaystyle \int\limits_{A'}\vec{i}\cdot da'-\int\limits_{A''}{\vec{i}}\left(...
...prime\prime}\right) =-\frac{d} {dt}\int\limits_{V\left( A\right) }\rho_{el}{dV}$ (3.148)

oder

$\displaystyle \int\limits_{A}\vec{i}\cdot d\vec{a}=-\frac{d}{dt}\int\limits_{V} \rho_{el}\;{dV}$ (3.149)

Dies ist die Integralform der Kontinuitätsgleichung.

Mit dem Gaussschen Satz bekommen wir

$\displaystyle \int\limits_{A}{\vec{i}}\cdot d\vec{a}=\int\limits_{V} {}\boldsy...
...{div}}{} \vec{i}\;dV=-\int\limits_{V}\frac{\partial}{\partial t}\rho_{el}\;{dV}$ (3.150)

Die Differentialform der Kontinuitätsgleichung lautet demnach:

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{i}\left( \vec{x},t\right) =-\frac{\partial}{\partial t}\rho_{el}\left( \vec{x},t\right)$ (3.151)

Bei stationären Strömen hängen $ \overrightarrow{i}$ und $ \rho_{el}$ nicht von der Zeit ab, so dass

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{i}=0$ (3.152)

ist.

$\displaystyle \int\limits_{A}{\vec{i}}\cdot d\vec{a}=0$ (3.153)


Beispiel





\includegraphics[width=0.6\textwidth]{elektrostatik-027}
Stromfluss in einem Kondensator




Wir betrachten eine quasistationäre Änderung am Kondensator

$\displaystyle \int\!\!\!\! {\displaystyle\int\limits_{A_{1}}} \vec{i}\cdot d\ve...
...\vec{a}+\int\!\!\!\! {\displaystyle\int\limits_{a_{2}}} \vec{i}\cdot d\vec{a}=0$ (3.154)

Mit $ I_{1}=-
{\displaystyle\int}\!\!\!
{\displaystyle\int\limits_{a_{1}}}
\vec{i}\cdot d\vec{a}$ und $ I_{2}=
{\displaystyle\int}\!\!\!
{\displaystyle\int\limits_{a_{2}}}
\vec{i}d\vec{a}$ folgt

$\displaystyle I_{1}=I_{2}$ (3.155)

d.h. es scheint, als ob der Strom durch den Kondensator hindurch fliessen würde.

Wenn wir die Kontinuitätsgleichung auf $ A_{2}$ anwenden, bekommen wir

$\displaystyle {\displaystyle\int}\!\!\! {\displaystyle\int\limits_{a_{3}}} \vec{i}d\vec{a}=-I_{1}\left( t\right) =-\frac{dQ\left( t\right) }{dt}$ (3.156)


oder

$\displaystyle I\left( t\right) =\frac{dQ\left( t\right) }{dt}$ (3.157)

Die Einheit der Stromstärke ist Ampère $ \left[ A\right] $

$\displaystyle 1A=1\frac{C}{s}$ (3.158)

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm