Unterabschnitte

Mischungen

Wir betrachten Mischungen bei konstantem Druck. Zwei Stoffe mit den Teilchenzahlen $ N_{1}$ und $ N_{2}$ sollen gemischt werden, wobei die beiden Stoffe nicht reagieren sollen. Es gilt also

$\displaystyle N_{1}+N_{2}=N$    

Wir definieren die Molenbrüche

$\displaystyle x_{1}$ $\displaystyle =\frac{N_{1}}{N}$    
$\displaystyle x_{2}$ $\displaystyle =\frac{N_{2}}{N}$ (4.702)

Dabei ist $ x_1+x_2=1$.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{thermodynamik-181}
Freie Enthalpie $ G$ als Funktion der Temperatur bei Mischungen




Abbildung 4.70 zeigt den Verlauf der freien Enthalpie für mehrere Temperaturen. Im Gleichgewicht ist $ G$ minimal. In unserer Abbildung bedeutet dies, dass die Minima die bevorzugten Zustände sind. Zur Bestimmung des Gleichgewichtes sind die folgenden Bedingungen notwendig und hinreichend:

$\displaystyle \left( \frac{\partial G}{\partial x_{1}}\right) _{T}$ $\displaystyle =0$ $\displaystyle \left( \frac{\partial^{2}G}{\partial x_{1}^{2}}\right)$ $\displaystyle >0$ $\displaystyle \Rightarrow$ Minimum (4.703)
$\displaystyle \left( \frac{\partial G}{\partial x_{1}}\right) _{T}$ $\displaystyle =0$ $\displaystyle \left( \frac{\partial^{2}G}{\partial x_{1}^{2}}\right)$ $\displaystyle <0$ $\displaystyle \Rightarrow$ Maximum (4.704)

Damit wir eine stabile Gleichgewichtslage haben, muss offensichtlich

$\displaystyle \left( \frac{\partial^{2}G}{\partial x_{1}^{2}}\right) >0$    

sein.





\includegraphics[width=0.45\textwidth]{thermodynamik-182}
Stabilitätsbedingung für die freie Enthalpie




Abbildung 4.71 zeigt die Bereiche, in denen $ \left( \frac{\partial^{2}G}{\partial
x_{1}^{2}}\right) >0$ gilt. Mischungen sind nur in diesen Bereichen stabil. Ausserhalb trennen sie sich in zwei (oder mehrere) Phasen auf. Man nennt den Vorgang Entmischung.





\includegraphics[width=0.45\textwidth]{thermodynamik-183} \includegraphics[width=0.45\textwidth]{thermodynamik-184}
Stabile, metastabile und instabile Bereiche. Rechts ist die Mischungslücke gezeigt.




Abbildung 4.72 zeigt, dass es zwischen den instabilen und den Stabilen Bereichen noch metastabile Bereiche sind. Metastabile Bereiche sind Bereiche, die bei sehr kleinen Störungen stabil, bei grösseren Störungen jedoch instabil sind. Bei einer Umgebungsbedingung ist $ G$ fix. Die horizontale Gerade zeigt für ein $ G$, wie sich das System als Funktion von $ x=x_1$ positioniert. Die Punkte mit $ \odot$ zeigen zwei koexistierende stabile Phasen. Der Punkt mit $ \bullet$ zeigt eine instabile Phase.

Hebelgesetz





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{thermodynamik-185}
Hebelgesetz für Phasendiagramme




Wenn wie in Abbildung 4.73 zwei Phasen bei $ 1$ und $ 2$ koexistieren und das System eine Mischung mit $ x_0 = x = a$ darstellt, kann mit dem Hebelgesetz die Zusammensetzung bestimmt werden.

In diesem Beispiel wollen wir annehmen, dass wir eine Mischung aus der Flüssigphase und der Gasphase haben. Die Konzentration der Gasphase sei $ x_{G}$, die der Flüssigphase $ x_{fl}$. Vom Stoff $ 1$ gibt es $ N\cdot x_{0}$ Moleküle, vom Stoff $ 2$ $ N\left( 1-x_{0}\right) $. Insgesamt seien $ N_{G}$ Moleküle in der Gaspahse, von beiden Komponenten eine noch unbekannte Anzahl. Ebenso seinen insgesamt $ N_{fl}$ Moleküle in der Flüssigphase. Die Summe aller Moleküle ist konstant, also

$\displaystyle N = N_{G}+N_{fl}= N x_0 + N(1-x_0)$    

  Gasphase Flüssigphase
Stoff $ 1$ $ x_{G}\cdot N_{G}$ $ x_{fl}\cdot N_{Fl}$
Stoff $ 2$ $ \left( 1-x_{G}\right) N_{G}$ $ \left(
1-x_{fl}\right) \cdot N_{Fl}$

Die Gesamtmenge aller Stoffe ist erhalten (Stofferhaltung). Dies führt zu

$\displaystyle x_{G}N_{G}+x_{fl}\cdot N_{Fl}$ $\displaystyle =x_{0}N$    
$\displaystyle N_{G}+N_{Fl}$ $\displaystyle =N$ (4.705)

Weiter können wir umformen

$\displaystyle x_{G}N_{G}+x_{G}N_{Fl}$ $\displaystyle =x_{G}\cdot N$    
$\displaystyle \left( x_{fl}-x_{G}\right) N_{Fl}$ $\displaystyle =\left( x_{0}-x_{G}\right) N$    
$\displaystyle N_{Fl}$ $\displaystyle =\frac{x_{0}-x_{G}}{x_{fl}-x_{G}}N$    
$\displaystyle N_{G}$ $\displaystyle =\frac{x_{fl}-x_{0}}{x_{fl}-x_{G}}N$ (4.706)

Gleichung (4.434) heisst das Hebelgesetz. Es zeigt, wie die Konzentrationen von zwei Phasen im Gleichgewicht ausgerechnet werden können. In der Nähe von $ 2$ gibt es fast nur die Flüssigphase, in der Nähe von $ 1$ fast nur die Gasphase.

Kategorisierung von Diagrammen

Zwei Komponenten, beliebig mischbar, füssige und gasförmige Phasen, geschlossenes Gefäss





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-186}
Phasendiagramm für beliebig mischbare Substanzen




Abbildung 4.74 zeigt das Phasendiagramm der flüssigen und gasförmigen Phase zweier Substanzen, die beliebig mischbar sind. Die untere Phasenlinie heisst Siedekurve (Bei Annäherung von tiefen Temperaturen beginnt bei Erreichen der Kurve das Sieden), die obere Kondensationskurve (Bei Annäherung von hohen Temperaturen beginnt bei Erreichen der Kurve die Kondensation). Beim Erwärmen über die Siedetemperatur geschieht folgendes:

  1. Die Ursprungskonzentration ändert sich auf der senkrechten Linie von $ A$ nach $ B$ nicht.

  2. Bei $ B$ beginnt die Mischung zu sieden. Sie teilt sich in die Gasphase (bei $ C$) und die Flüssigphase (bei $ B$) auf.
  3. Flüssige und gasförmige Phase koexistieren zwischen $ B$ und $ D$. Ihre Anteile werden durch das Hebelgesetz gegeben.

  4. Die flüssige Phase bewegt sich auf der Linie $ BE$, die gasförmige Phase auf der Linie $ CD$.

  5. Wenn die Gasphase $ D$ erreicht, ist alle Flüssigkeit verdampft.


Bemerkung:

Wird das Verdampfungsexperiment mit einem offenen Gefäss durchgeführt, reduziert sich die Konzentration der Gasphase durch Diffusion. Deshalb verschwindet die Flüssigphase erst bei $ G$.

Zwei Komponenten, beliebig mischbar, Punkt gleicher Konzentration





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-187}
Mischung mit azeotropem Punkt




Abbildung 4.75 zeigt das Phasendiagramm beliebig mischbarer Flüssigkeiten mit einem azeotropen Punkt $ x_{a}$. Bei $ x_a$ ist die Siedetemperatur maximal. Eine Mischung mit dem Mischungsverhältnis $ x_a$ heisst azeotrop. Der Siedevorgang kann sowohl bei reinen Phasen wie auch in $ x_{a}$ enden.


Bemerkung:

Das Wasser-Alkohol-Gemisch ist azeotrop. Bei 96 % Alkohol ist die Siedetemperatur maximal. Deshalb kann man die Alkoholkonzentratin beim Destilieren nicht über diese Grenze erhöhen.

Zwei Komponenten, kritischer Punkt





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-188}
Rückläufige Kondensation




Wenn bei dem Phasendiagramm aus Abbildung 4.76 eine Flüssigkeit entlang des schwarzen Weges erwärmt wird, beginnt sie bei $ B$ zu sieden. Der Anteil der Gasphase und der Flüssigkeit wird mit dem Hebelgesetz gegeben. Nach Einsetzen des Sieden nimmt das Gasvolumen zuerst zu, dann (über dem Punkt $ D$) wieder ab. Bei $ C$ ist die Flüssigkeit wieder homogen (rückläufige Kondensation).

Zwei Komponenten, kritischer Punkt, Mischungslücke





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-189}
Binäre Mischung mit einer Mischungslücke




Substanzen mit einem Phasendiagramm wie in Abbildung 4.77 haben eine Mischungslücke. Wenn die Temperatur über der kritischen Temperatur $ T_{k}$ liegt, sind die beiden Substanzen in jedem Verhältnis mischbar. Unter $ T_k$ sind nur die Mischverhältnisse links und rechts der Mischungslücke realisierbar.





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-190}
Entmischung an der Mischungslücke




Wenn die Substanz in der Abbildung 4.78 abgekühlt wird, trifft sie bei $ a$ auf die Phasengrenze der Mischungslücke. Nach dem Hebelgesetz spaltet sie sich in zwei Substanzen mit unterschiedlicher Konzentration auf ($ a$ und $ b$). Die eine Substanz kühlt entlang der Linie $ ac$, die andere entlang der Linie $ bd$.

Neben der in Abbildung 4.77 gezeigten Mischungslücke sind (mindestens) zwei weitere Arten möglich.





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-191} \includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-192}
Links: Mischungslücke bei hohen Temperaturen, Rechts Mischungslücke in einem begrenzten Temperaturbereich (Bsp: Nikotin).




Beliebige Mischbarkeit in der Flüssigkeit, bedingte Mischbarkeit der Festkörper





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-193}
Phasendiagramm mit einem eutektischen Punkt




B
ist ein eutektischer Punkt. Dies ist ein Tripelpunkt, bei dem eine flüssige und zwei feste Phasen sich im Gleichgewicht befinden.





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-194} \includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-195}
Wege durch die Phasendiagramme




Abbildung 4.81 zeigt zwei Wege durch das Phasendiagramm. Wir betrachten das linke Diagramm. Wird die Mischung mit dem Mischungsverhältnis $ \bigcirc\!\!\!\!\!1$ abgekühlt, trifft sie bei $ a$ auf die Phasengrenze. Die flüssige Mischung trennt sich in zwei Komponenten auf. Auf dem linken Ast $ ac$ wird die flüssige Komponente mit abnehmendem $ x$ abgekühlt, Auf dem rechten Ast $ bd$ wird die feste Komponente abgekühlt. Der Anteil der beiden Phasen ergibt sich durch das Hebelgesetz. Bei $ d$ hat die feste Phase die gleiche Zusammensetzung wie die Flüssigkeit am Anfang. Die Flüssige Phase verschwindet deshalb bei $ c$. Das Weitere Abkühlen lässt die nun feste Phase bei $ e$ wieder auf eine Phasengrenze treffen. Auch wenn die Mischung fest ist, heisst das nicht, dass Atome sich nicht bewegen können. Lokal, in kleinen Bereichen, ergibt sich eine Phasentrennung. Die beiden Phasen bewegen sich entlang der Linien $ fF$ sowie $ eG$. Wieder wird der Anteil der beiden Phasen durch das Hebelgesetz gegeben.

Im rechten Diagramm in der Abbildung 4.81 betrachten wir ein anderes Mischungsverhältnis $ \bigcirc\!\!\!\!\!2$ mit kleinerem $ x$. Die Mischung wird abgekühlt und trifft bei $ b$ auf eine Phasengrenze. Sie teilt sich in einen festen Anteil bei $ a$ und einen flüssigen Anteil bei $ a$ auf. Die flüssige Phase kühlt sich weiter ab und trifft bei $ B$ auf den eutektischen Punkt. Die linke Phase ist hat sich dabei entlang $ bD$ abgekühlt. Die Anteile ergeben sich aus dem Hebelgesetz. Am eutektischen Punkt erstarrt die Flüssigkeit schlagartig. Es gibt keine Entmischung und das Eutektikum bleibt auch bei tieferen Temperaturen erhalten. Die Feste Phase bei $ D$ wird weiter abgekühlt nach $ F$. Lokal tritt Phasentrennung auf zu der Phase entlang der Linie $ EG$. Die Anteile dieser Phasen müssen wieder mit dem Hebelgesetz berechnet werden.





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-196}
Alternative Lage der Grenzlinien (Vergleich zu Abbildung 4.80)




Hier ist

B
ein Tripelpunkt, der eine flüssige und 2 feste Phasen trennt.


Bemerkung:
$ B$ kann in der Temperatur nicht höher liegen als $ A$ oder $ C$.

keine Mischbarkeit im festen Zustand





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-197}
Phasendiagramm mit unmischbarer fester Phase




Beliebige Mischbarkeit in flüssigem Zustand, keine Mischbarkeit im festen Zustand, aber chem. Verbindung





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-198}
Phasendiagramm mit chemischer Verbindung




Bei diesem Diagramm sollen zwei Substanzen im flüssigen Zustand beliebig mischbar sein. Im festen Zustand sind sie nicht mischbar, gehen aber eine chemische Verbindung ein.

B,G
sind Tripelpunkte (flüssig, fest rein, fest (chem. Verbindung)
DBE
ist das Gebiet mit einem Gleichgewicht zwischen der chemischen Phase und der flüssigen Phase
ABC
ist das Gleichgewichtsgebiet zwischen einer reinen Phase und einer flüssigen Phase
unter CBE
liegt das Gleichgewichtsgebiet zwischen reiner Phase und der chemischen Verbindung.

Keine Mischbarkeit im festen Zustand, Mischungslücke in Flüssigkeit





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{thermodynamik-199}
Phasendiagramm mit 2 Tripelpunkten




Dieses Diagramm hat zwei Tripelpunkte

B
Bei $ B$ treffen sich zwei feste und eine flüssige Phase.
D
Hier treffen sich zwei flüssige und eine feste Phase.

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm