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Die Maxwellschen Gleichungen

Dieser Stoff wurde am 17. 2. 2005 behandelt

\includegraphics[height=8mm]{icon-mat} Materialien

Folien zur Vorlesung vom 17. 02. 2005: PDF


(Siehe Leisi, Klassische Physik II [Lei98, pp. 251])

Maxwellgleichungen werden gebraucht, um die Funktionsweise von
  • Radiowellen
  • Mikrowellen
  • Mobiltelefonen
zu erklären.

Bis jetzt kennen wir die folgenden Gleichungen um die elektrischen Phänomene zu beschreiben:

Gausssches Gesetz $  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{E}$ $=$ $\frac{\rho_{el}}{\epsilon_0}$ I
Induktionsgesetz $  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{E}$ $=$ $ -\frac{\partial\vec{B}}{\partial t}$ II
Quellenfreiheit $  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{B}$ $=$ 0 III
Durchflutungsgesetz $  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{B}$ $=$ $ \mu_0 \vec{i}$ IV

Zusätzlich zu den obigen Gleichungen muss die Kontinuitätsgleichung für Ladungen gelten

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{i}= -\frac{\partial \rho_{el}}{\partial t}$ (5.455)

Diese Kontinuitätsgleichung ist im Widerspruch zum Durchflutungsgesetz. Dies sieht man, indem man die Divergenz auf das Durchflutungsgesetz anwendet.

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} (\mu_0 \vec{i}) = \mu_0  {}\bold...
...} =  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{}   {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{B}= 0$ (5.456)

im Widerspruch zur Kontinuitätsgleichung. Dieser Widerspruch wurde von Maxwell aufgelöst, indem er das Durchflutungsgesetz ergänzt hat.

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{B}= \mu_0 \left(\vec{i}+ \epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}\right)$ (5.457)

Die Grösse $ \epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}$ hat die Dimension einer Strodichte. Diese Maxwellsche Verschiebungsstromdichte macht das Durchflutungsgesetz mit der Kontinuitätsgleichung kompatibel. Der Strom ist bei dem modifizierten Durchflutungsgesetz durch

$\displaystyle \vec{i}= \frac{1}{\mu_0} {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{B}-\epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}$ (5.458)

Die Divergenz davon ist

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{i}= -\epsilon_0 {}\boldsymb...
...ldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{E}\right) = -\frac{\partial\rho_{el}}{\partial t}$ (5.459)

Damit ist gezeigt, dass die Gleichungen I-III zusammen mit dem modifizierten Durchflutungsgesetz auch die Kontinuitätsgleichung beinhalten. Dieser Satz Gleichungen wird die

Maxwell-Gleichungen
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{E}$ $\displaystyle = \frac{1}{\epsilon_0}\rho_{el}$ $\displaystyle \textbf{I}$ (5.460)
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{E}$ $\displaystyle = -\frac{\partial\vec{B}}{\partial t}$ $\displaystyle \textbf{II}$  
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{B}$ $\displaystyle = 0$ $\displaystyle \textbf{III}$  
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{B}$ $\displaystyle =\mu_0 \left(\vec{i}+ \epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}\right)$ $\displaystyle \textbf{IV}$  

genannt.

Zusammen mit dem Kraftgesetz

$\displaystyle \vec{F}= q\cdot \vec{E}+ q\cdot \vec{v}\times \vec{B}$ (5.461)

hat man eine vollständige Charakterisierung der Elektrodynamik für isotrope Materialien.

Die Maxwellsche Verschiebungsstromdichte, die eingeführt wurde um die Maxwellgleichungen mit der Kontinuitätsgleichung kompatibel zu machen, führt dazu, dass man aus den Maxwellgleichungen elektromagnetische Wellen vorhersagen kann.

Die Maxwellgleichungen sind nicht invariant unter der Galilei-Transformation. Diese Beobachtung war ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zur speziellen Relativitätstheorie.

Die Integralform des modifizierten Durchflutungsgesetzes ist

$\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(S)}^{} {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{...
...vec{E}}{\partial t}\right)\cdot d\vec{a}= \oint\limits_{S}\vec{B}\cdot d\vec{s}$ (5.462)

wenn man den Satz von Stokes anwendet. $ S$ ist eine beliebige Kurve und $ A(S)$ die durch sie berandete Fläche.

Das Gausssche Gesetz liefert

$\displaystyle \frac{\partial\rho_{el}}{\partial t} = \epsilon_0\frac{\partial}{...
... {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \left(\frac{\partial\vec{E}}{\partial t}\right)$ (5.463)

Damit wird die Kontinuitätsgleichung

$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{i}+\frac{\partial\rho_{el}}{...
...hrm{div}}{} \left(\vec{i}+ \epsilon_0 \frac{\partial\vec{E}}{\partial t}\right)$ (5.464)

Damit ist das Integral über die Fläche in Gleichung (5.9) unabhängig von $ S$.

Die Integralformeln der Maxwellgleichungen lauten


$\displaystyle \epsilon_0\displaystyle\iint\limits_{A(V)}^{} \vec{E}\cdot d\vec{a}=$ $\displaystyle \displaystyle\iiint\limits_{V}^{} \rho_{el}(\vec{r}) dV $ $\displaystyle \textbf{I}$ (5.465)
$\displaystyle \oint\limits_S \vec{E}\cdot d\vec{s}=$ $\displaystyle -\displaystyle\iint\limits_{A(S)}^{}\frac{\partial}{\partial t}\vec{B}\cdot d\vec{a}$ $\displaystyle \textbf{II}$  
$\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(V)}^{} \vec{B}\cdot d\vec{a}=$ $\displaystyle 0
$ $\displaystyle \textbf{III}$  
$\displaystyle \oint\limits_{S}\vec{B}\cdot d\vec{s}=$ $\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(S)}^{}\mu_0 \left(\vec{i}+
\epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}\right)\cdot d\vec{a}$ $\displaystyle \textbf{IV}$  

Der Unterschied zwischen der zweiten und der dritten Maxwellgleichung ist, dass in der zweiten Gleichung über eine einfache, von der Kurve $ S$ aufgespannte Fläche $ A(S)$ integriert wird, während in der dritten Gleichung über die das Volumen $ V$ einschliessende Fläche $A(V)$ integriert wird.

Für Medien mit tensoriellen Eigenschaften benötigt man die beiden Materialgleichungen

$\displaystyle \vec{D}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \underline{\epsilon} \epsilon_0 \vec{E}$ (5.466)
$\displaystyle \vec{B}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \underline{\mu} \mu_0 \vec{H}$  

wobei $\underline{\epsilon}$ und $\underline{\mu}$ Tensoren sind.

Die Maxwellgesetze für allgemeine Materialien lauten


$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{D}$ $\displaystyle = \rho_{el}$ $\displaystyle \textbf{I}$ (5.467)
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{E}$ $\displaystyle = -\frac{\partial\vec{B}}{\partial t}$ $\displaystyle \textbf{II}$  
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{div}}{} \vec{B}$ $\displaystyle = 0$ $\displaystyle \textbf{III}$  
$\displaystyle  {}\boldsymbol{\mathrm{rot}}{} \vec{H}$ $\displaystyle =\vec{i}+ \epsilon\epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}$ $\displaystyle \textbf{IV}$  

in der differentiellen Schreibweise und


$\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(V)}^{} \vec{D}\cdot d\vec{a}=$ $\displaystyle \displaystyle\iiint\limits_{V}^{} \rho_{el}(\vec{r}) dV $ $\displaystyle \textbf{I}$ (5.468)
$\displaystyle \oint\limits_S \vec{E}\cdot d\vec{s}=$ $\displaystyle -\displaystyle\iint\limits_{A(S)}^{}\frac{\partial}{\partial t}\vec{B}\cdot d\vec{a}$ $\displaystyle \textbf{II}$  
$\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(V)}^{} \vec{B}\cdot d\vec{a}=$ $\displaystyle 0
$ $\displaystyle \textbf{III}$  
$\displaystyle \oint\limits_{S}\vec{H}\cdot d\vec{s}=$ $\displaystyle \displaystyle\iint\limits_{A(S)}^{} \left(\vec{i}+
\epsilon\epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}\right)\cdot d\vec{a}$ $\displaystyle \textbf{IV}$  

in der Integralschreibweise.







Anwendung

Wir betrachten einen langen kreiszylindrischen Leiter mit dem Durchmesser $ R$, aus dem eine Scheibe mit der Dicke $d\ll R$ herausgeschnitten wurde. Dieser Leiter werde an eine Gleichstromquelle mit $I(t) = I_0$ angeschlossen. Die Endflächen beim herausgeschnittenen Stück wirken wie ein Kondensator. Also ist

$\displaystyle Q(t) = I_0 \cdot t$ (5.469)

Da wir eine zeitlich konstante Situation haben, sind alle zeitlichen Ableitungen null. Mit der Integralform des Gaussschen Gesetzes bekommt man mit einer geschlossenen Fläche $ A$, die eine Kondensatorplatte beinhaltet
$\displaystyle \epsilon_0\displaystyle\iint\limits_{A}^{} \vec{E}\cdot d\vec{a}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \displaystyle\iiint\limits_{V(A)}^{} \rho_{el} dV $ (5.470)
$\displaystyle \epsilon_0 E(t) \pi R^2$ $\displaystyle =$ $\displaystyle Q(t)$  

wobei wir berücksichtigt haben, dass innerhalb des Leiters sowie ausserhalb des herausgeschnittenen Stückes $ \vec{E}=0$ gilt. Damit erhalten wir

$\displaystyle E(t) = \frac{Q(t)}{\epsilon_0 \pi R^2} = \frac{I_0(t)}{\epsilon_0 \pi R^2}t = \frac{i_0}{\epsilon_0}t$ (5.471)

Dabei ist $ i_0$ die Stromdichte im Draht, nicht in der Lücke. Das Vektorfeld

$\displaystyle \left(\vec{i}+
\epsilon_0\frac{\partial \vec{E}}{\partial t}\right)$

ist homogen im ganzen Zylinder, einschliesslich des herausgeschnittenen Stückes. Im Leiter ist $ \vec{E}=0$, also

$\displaystyle i_0 = \frac{I_0}{\pi R^2}$ (5.472)

Im herausgeschnittenen Stück ist $i=0$ und damit

$\displaystyle i' = \epsilon_0\frac{\partial}{\partial t}\frac{I_0(t)}{\epsilon_0 \pi R^2}t = \frac{I_0}{\pi R^2} = i_0$ (5.473)

Deshalb muss $ \vec{B}$ über den ganzen Leiter, inklusive des herausgeschnittenen Stückes, tangential und translationsinvariant entlang des Leiters sein.

$\displaystyle B(r) = \frac{\mu_0}{2\pi}I_0\cdot \frac{r}{R^2}\hspace{1cm}\textrm{für}\hspace{1cm} r<R$ (5.474)

sowie

$\displaystyle B(r) = \frac{\mu_0}{2\pi}I_0\cdot \frac{1}{r}\hspace{1cm}\textrm{für}\hspace{1cm} r \geq R$ (5.475)

Der Maxwellsche Verschiebungsstrom bewirkt also, dass die Stromverteilung im Leiter in den Zwischenraum verschoben wird. Das modifizierte Ampèresche Durchflutungsgesetz ist die physikalische Rechtfertigung für den umgangssprachlichen Ausdruck der Strom fliesst durch den Kondensator.


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Marti 2011-10-13