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Avogadro-Zahl

(Siehe Haken, Wolf, Atom-und Quantenphysik [HW04, pp. 7-10])

Wenn man einen Kristall immer weiter mit mechanischen Methoden zerkleinert, so scheint dies ein kontinuierlicher Prozess zu sein.

\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Kristall-Zerkleinerung

Was bringt einem dazu, anzunehmen, dass die Materie aus kleinsten Einheiten aufgebaut ist?

Optik
Auch bei klarster Luft ist der Himmel blau. Das von oben kommende Licht muss in der hohen Atmosphäre gestreut werden. Dies kann nur an Inhomogenitäten der Luft geschehen. Also muss die Luft eine Körnigkeit haben. Wir wissen durch Rayleigh, dass die Streuung proportional zu $ (r/\lambda)^4$ läuft, wenn die streuenden Teilchen sehr viel kleiner als die Lichtwellenlänge $ \lambda$ sind. Da der Himmel blau ist, muss also die Längenskala der Körnigkeit sehr viel kleiner als die mittlere Wellenlänge des Sonnenlichts sei, also $ r \ll \left<\lambda\right>=500 nm$. Die Streuung führt übrigens auch zu einer Polarisation.
Chemie
Bei jeder chemischen Reaktion werden Stoffe immer in gewissen, unabänderlichen Gewichtsverhältnissen umgesetzt. Das heisst, dass die Ursache der Körnigkeit materialspezifisch ist. Weiter findet man, dass Stoffe wie Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff eine Körnigkeit haben, die ein Vielfaches der Körnigkeit des Wasserstoffs ist.
Brownsche Bewegung
Robert Brown beobachtete die Zitterbewegung einzelner Atom und schloss daraus, dass Wasser aus Teilchen bestehen müsse.
Röntgenbeugung
Mit der von Max von Laue erstmals beobachteten Röntgenbeugung durch Max von Laue (Nobelpreis 1914) konnte erstmals gezeigt werden, dass feste Materie aus einzelnen kleinsten Teilchen bestand, deren Grösse aus den Beugungsmustern bekannt war.

Die Avogadro-Zahl $ N_A$ gibt an, wie viele Teilchen in einem Mol vorhanden sind. In Deutschland wird manchmal auch die Loschmidt-Zahl $ N_L=N_A$ verwendet, sie ist aber im Rest der welt nicht gebräuchlich. Bei Kenntnis der Boltzmann-Konstante $ k_B$ kann auf verschiedene Weise bestimmt werden:

Elektrolyse
Wenn die Elementarladung $ e$ bekannt ist, kann man aus dem Strom $ I$ und der abgeschiedenen Masse $ m$ die Faraday-Zahl

$\displaystyle F=e N_A = 9.65\cdot 10^4   C  mol^{-1}$ (2.1)

bestimmt werden. Damit ist auch die Avogadro-Zahl $ N_A$ bestimmt.
Gaskonstante und Boltzmann-Konstante
Es gilt die Beziehung

$\displaystyle R = k\cdot N_A$ (2.2)

Die Gaskonstante $ R$ kann aus der Gleichung für ideale Gase abgeleitet werden, zum Beispiel aus $ pV$-Diagrammen.





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{pv-ideal}
$ pV$-Diagramm für ein ideales Gas




Die Boltzmann-Konstante kann aus dem Sedimentationsgleichgewicht bestimmt werden (Jean-Babtiste Perrin[Per09], Nobelpreis 1926). Er erhielt für die Höhenverteilung die folgende Gleichung1:

$\displaystyle n(h) = n_0 \exp\left(-\frac{V_T\left(\rho-\rho'\right)g  h}{k_B T}\right)$ (2.3)

Hier ist $ V_T$ das Volumen eines Teilchens, $ \rho$ die Dichte dieses Teilchens, $ \rho'$ die Dichte der umgebenden Flüssigkeit, $ g$ der Betrag des Feldvektors der Gravitation an der Erdoberfläche und $ h$ die Höhe.
Röntgenbeugung
William Henry Bragg und sein Sohn William Lawrence Bragg (beide Nobelpreis 1915) entwickelten 1913 die Drehkristallmethode und die Bragggleichung die die Streuwinkel $ \theta$ mit der Wellenlänge $ \lambda$ und dem Netzebenenabstand $ d$ verknüpft.





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bragg-Streuung}
Gangunterschied bei der Bragg-Streuung




$\displaystyle n \lambda= 2 d \sin \alpha = 2  d  \sin\frac{\theta}{2}$ (2.4)

Aus dem Netzebenenabstand kann man das Volumen eines Atoms $ V_A$ bestimmen. Die Avogadrozahl folgt dann aus

$\displaystyle N_A = \frac{M}{\rho  V_A}$ (2.5)

NaCl kristallisiert in einem kubischen Gitter mit dem Netzebenenabstand $ a$, wobei sich in der Einheitszelle jeweils ein positives und ein negatives Ion befinden. Dies ist äquivalent zu dem Würfel in der Abbildung unten mit der halben Kantenlänge $ a/2$, wobei sich die positiven $ Na^+$-Ionen (klein) und die negativen $ Cl^-$-Ionen abwechseln.





\includegraphics[width=0.2\textwidth]{nacl-gitter}
$ NaCl$-Gitter




Die Ionen an den Ecken sind Teil von 8 Würfeln, so dass in diesem Würfel mit dem Volumen $ (a/2)^3$ netto ein Ion, also ein halbes $ NaCl$ liegt. Die Dichte der $ NaCl$ ist demnach

$\displaystyle n = \frac{1}{2}  \left(\frac{2}{a}\right)^3$ (2.6)

Mit $ V_{mol} = N_A  V_A = M/\rho$ bekommen wir aus Gleichung (2.5) und aus Gleichung (2.6)

$\displaystyle n = \frac{N_A}{V_{mol}} = \frac{N_A \rho}{M}$ (2.7)

und damit

$\displaystyle N_A = n\frac{M}{\rho}= \frac{4 M}{a^3  \rho}$ (2.8)

Mit den Daten $ \rho= 1987  kg m^{-3}$ und $ M = 0.07455  kg mol^{-1}$ sowie $ a=629  pm$ bekommt man

$\displaystyle N_A = 6.03\cdot 10^{23} \frac{1}{mol}$


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Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm