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Unterabschnitte


Anwendungen der Newtonschen Axiome

Dieser Stoff wurde am 30.10.2001 behandelt
(Siehe Gerthsen, Physik[GV95, 80])

Wir setzen voraus, dass wir alle Kräfte kennen: dann können wir die Beschleunigung und damit auch die bewegung eines Teilchens bestimmen.

Reibung

Dieser Stoff wurde am 30.10.2001 behandelt
(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 99]) (Siehe Gerthsen, Physik[GV95, 40])

Erfahrung: wenn man versucht, ein Möbelstück zu verschieben, muss man eine Kraft ausüben.

Reibungskräfte versuchen, Bewegungen zu verhindern oder zu dämpfen

Haftreibung

Beobachtung: Wenn ein Körper mit der Kraft $ F_N$, der Normalkraft, auf einen anderen Körper gedrückt wird, wird mindestens eine Kraft

$\displaystyle F \geq F_H = \mu_H F_N$ (4.74)

benötigt, um den Körper in Bewegung zu setzen. $ F_H$ heisst Haftreibungskraft. $ \mu_H$ ist der Haftreibungskoeffizient.

Umgekehrt gilt die Aussage, dass wenn die zur Auflagefläche parallele Kraft $ F<F_H$ ist, bewegt sich der Körper nicht. Die Haftreibungskraft, englisch: stiction, ist eines der grössten Probleme in der Mikrosystemtechnik (englisch Micro-Electro-Mechanical-Systems, MEMS) und in der Festplattenindustrie.

Gleitreibung

Wenn ein Körper gleitet, dann gilt die Beziehung

$\displaystyle F_G = \mu_G F_N$ (4.75)

wobei $ F_G$ dieGleitreibungskraft und $ \mu_G$ der Gleitreibungskoeffizient ist.

\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bilder/PI_reibung_1.eps}

Schematische Darstellung der Haft- und Gleitreibungskraft als Funktion der angelegten, parallel zur Auflage wirkenden Kraft.


Schematisch verhalten sich Haftreibungskraft und Gleitreibungskraft wie in der Abbildung gezeigt.

Eigenschaften

Schlussfolgerung

Die Reibung wird von temporären Bindungen zwischen den Atomen der Oberflächen der einzelnen Reibpartnern gebildet. Zusätzlich und meistens auch dominierend ist jedoch die zur Abscherung mikroskopischer Erhöhungen (Asperities in englisch) benötigten Kräfte.

\includegraphics[width=0.8\textwidth]{Bilder/PI_reibung_2.eps}

Kräfte auf einen Körper auf einer schiefen Ebene. Die x-Achse sei parallel zur Auflage, die y-Achse senkrecht dazu.


$\displaystyle \sum F_y = F_N - m g \cos \alpha = 0$ (4.76)

$\displaystyle \sum F_x = m g \sin \alpha -F_H = 0$ (4.77)

Oder

$\displaystyle F_H = m g \sin \alpha = \frac{F_N}{\cos \alpha} \sin \alpha = F_N \tan \alpha$ (4.78)

Der Haftreibungskoeffizient ist gleich dem Tangens des Winkels, bei dem der Körper zu gleiten beginnt.

$\displaystyle \mu_H = \tan \alpha_{max}$ (4.79)

Gleitreibung wird durch Messung der Beschleunigung bestimmt.

$\displaystyle F_x = m g \sin \alpha -\mu_G F_G = m a_x$ (4.80)

$\displaystyle a_x = g \left( \sin \alpha - \mu_g \cos\alpha\right)$ (4.81)

oder

$\displaystyle \mu_g = \tan \alpha - \frac{a_x}{g \cos\alpha}$ (4.82)

Rollreibung

Dieser Stoff wurde am 30.10.2001 behandelt

\includegraphics[width=0.5\textwidth]{Bilder/PI_reibung_3.eps}

Rollendes Rad: rot gestrichelt: Geschwindigkeitsvektoren von der Achse aus gesehen (mitbewegt); grün: Geschwindigkeitsvektor der Achse; blau: Summe.


Ein Rad, das am Boden abrollt, wird durch die Haftreibung zum drehen gebracht. Der momentane Drehpunkt eines Rades ist die Auflagefläche. Dies ist einfach ersichtlich, wenn die Geschwindigkeitsvektoren des Rades von der Achse aus gesehen (rot gestrichelt) zum Geschwindigkeitsvektor der Achse (grün) dazugezählt werden. Die resultierenden Geschwindigkeitsvektoren sind so, dass am Auflagepunkt die Geschwindigkeit gleich null ist. Da der Ort mit der Geschwindigkeit 0 immer die momentane Drehachse ist, dreht sich jedes abrollende Rad und jeder abrollende Körper um seinen Auflagepunkt.

Rollreibung meint die Reibung, die bei einem rollenden Körper auftritt. Ist der Körper nicht deformierbar, dann ist die Rollreibung null, wenn die beiden Oberflächen sich nicht anziehen (Adhäsion, Klebrigkeit!)

Beispiel: innen oder aussen um die Kurve fahren?

Die Zentripetalbeschleunigung ist $ a_Z = v^2 r^{-1}$. Die Masse des Autos sei $ m$, der Haftreibungskoeffizient $ \mu_H$. Dann muss $ F_Z = a_Z m = v^2 r^{-1} m \leq \mu_H m g$ sein. Die Geschwindigkeit muss der Bedingung

$\displaystyle v \leq \sqrt{\mu_H r g}$ (4.83)

genügen. Die Zeit zum Durchfahren eines Bogens der Länge $ l = \alpha r$ mit dem Winkel $ \alpha$ im Bogenmass und dem Radius $ r$ ist

$\displaystyle T(r,\alpha,v) = l v^{-1} = \frac{r \alpha}{v} \geq \frac{r \alpha}{\sqrt{\mu_H r g}} = \alpha \sqrt{\frac{r}{\mu_H g}}$ (4.84)

d'Alembert'sches Prinzip

Dieser Stoff wurde am 31.10.2001 behandelt
(Siehe Gerthsen, Physik[GV95, 162])

Materialien

Folien zur Vorlesung am 31. 10. 2001 PDF

Um die Bewegung eines Massenpunktes oder eines Systems von Massenpunkten zu berechnen, müssen die Bewegungsgleichungen gelöst werden. Das Prinzip von d'Alembert sagt:

Ersetzt man bei einem bewegten System von Massenpunkten $ m_i$ die entsprechenden Beschleunigungen $ \vec{a}_i$ durch die Trägheitskräfte

$ \vec{F}_{Ti} = - m_i \cdot \vec{a}_i$

so hat man das dynamische Problem formal auf ein statisches Problem zurückgeführt.

\includegraphics[width=0.47\textwidth]{Bilder/bewegung_dAlembert1.eps} \includegraphics[width=0.4\textwidth]{Bilder/bewegung_dAlembert2.eps}

Prinzip von d'Alembert. Links der Standpunkt eines ruhenden Beobachters, rechts derjenige des mitbewegten Beobachters. Die $ \vec{F}_{ji}$ sind Kräfte innerhalb des Systems von Massen, $ \vec{F}_{ai}$ sind äussere Kräfte. Die $ \vec{a}_i$ ist die Beschleunigung der Masse $ m_i$.


Beschreibung durch den ruhenden Beobachter mit dem 2. Newtonschen Axiom (Dynamik)

$\displaystyle m_i \vec{a_i}= \vec{F}_{ai}+ \sum_j \vec{F}{ji}$ (4.85)

Und nun die Beschreibung des mitbewegten Beobachters (Für ihn ist der Schwerpunkt des Massensystems in Ruhe!).

Nach d'Alembert gilt

$\displaystyle m_i \vec{a}_i = -\vec{F}_{Ti} = \vec{F}_{ai} + \sum_j \vec{F}_{ji}$ (4.86)

und damit die Beschreibung im mitbewegten Bezugssystem (Statik) über das formale Kräftegleichgewicht

$\displaystyle \vec{F}_{Ti} + \vec{F}_{ai} + \sum_j \vec{F}_{ji} = 0$ (4.87)

Bewegung mehrerer miteinander verbundener Körper

Dieser Stoff wurde am 31.10.2001 behandelt
(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 110])



\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bilder/bewegung-tisch.eps}

Zwei verbundene Körper an einem Tisch.


Masse 1 wird beschleunigt. Trägheitskraft $ F_a = m_1 a = F_s$ (Seilspannung)

Masse 2 wird beschleunigt. Kräfte an Masse 2: Trägheitskraft $ F_a = m_2 a$ sowie Erdbeschleunigung $ F_g = m_2
g$. Die resultierende Kraft ist die Seilspannung $ F_s = m_2 g - m_2 a$.

Nun muss $ a$ für beide Massen gleich sein (dehnungsfreies Seil). Ebenso ist die Seilspannung überall gleich.

$\displaystyle F_s = m_1 a = m_2 g - m_2 a$ (4.88)

oder

$\displaystyle a = g \frac{m_2}{m_1 + m_2}$ (4.89)

und die Seilspannung

$\displaystyle F_s = g \frac{m_1 m_2}{m_1 + m_2}$ (4.90)



\includegraphics[width=0.95\textwidth]{Bilder/bewegung-2massen.eps}

Beschleunigung zweier aufeinanderliegender Massen.


Die Masse 2 bewegt sich nicht, wenn $ F \leq \mu_{H2N} F_N = \mu_{H2N} (m_1 + m_2)$ gilt. Überschreitet die angelegte Kraft diesen Wert, dann muss die Gleitreibungskraft $ F_{G2N} = \mu_{G2N} F_N$ eingesetzt werden.

Wir betrachten nun die untere Masse als bewegt.

Wenn die Grenzkraft der Haftreibungskraft nicht überschritten wird, wenn also $ F_{H1} \leq
\mu_{H12} F_{N21}$ ist, bewegen sich die beiden Körper zusammen. Die Haftreibungskraft $ F_{H12} = F_{H21}$ kann eliminiert werden.

$\displaystyle F = (m_1 + m_2) a +F_{G2N} = (m_1 + m_2) a + \mu_{G2N} (m_1 +m_2) g = (m_1 + m_2) \left[a + \mu_{G2N} g\right]$ (4.91)

Hier ist $ \mu_{H12} = \mu_{H21}$ der Haftreibungskoeffizient zwischen den Massen 1 und 2 und $ \mu_H2N$ der Haftreibungskoeffizient zwischen der Masse 2 und der Unterlage.

Wenn die durch die Trägheit der Masse 1 generierte Kraft grösser als die maximale Haftreibungskraft ist, dann gleitet Masse 1 auf Masse 2. Dies tritt nicht auf, wenn

$\displaystyle a_1 = \frac{F_{H12}}{m_1} \leq \frac{\mu_{H12} F_{N21}}{m_1}$ (4.92)

ist. Dies ist äquivalent zu

$\displaystyle a \leq \mu_{H12} g$ (4.93)

Damit ist die maximale Kraft

$\displaystyle F \leq F_{max} = (m_1 + m_2)g \left[\mu_{H12}+ \mu_{G2N}\right]$ (4.94)

Gleitet Masse 1 über Masse 2, dann ist die übertragene Kraft $ F_G = \mu_{G12} m_1 g$ die Gleitreibungskraft mit $ \mu_{G12}$ dem Gleitreibungskoeffizienten zwischen den beiden Massen. Das horizontale Kräftegleichgewicht für die Masse 2 muss nun für beide Grenzflächen mit den Gleitreibungskoeffizienten geschrieben werden.

Die Masse 1 wird mit

$\displaystyle a_1 = \mu_{G12} g$ (4.95)

beschleunigt; die Masse 2 mit

$\displaystyle F - F_{G12} -F_{G2N} = m_2 a_2$ (4.96)

Also ist

$\displaystyle a_2 = \frac{F - F_{G12} -F_{G2N}}{m_2}$ (4.97)

Bemerkung: Wenn $ F_{H2N} = \mu_{H2N}(m_1+m_2)g > F_{max} = (m_1 + m_2)g \left[\mu_{H12}+
\mu_{G2N}\right]$ ist, ist es nicht möglich die Masse 2 in Bewegung zu setzen ohne dass Masse 1 gleitet!

Kräfte in bewegten Bezugssystemen

Dieser Stoff wurde am 31.10.2001 behandelt
(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 115])

Fallbewegung in einem bewegten Wagen. Der Wagen wird genau ab dem Moment beschleunigt, ab dem auch der Ball zu fallen beginnt.

\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bilder/bewegung-bezugsystem1.eps}

Standpunkt eines ruhenden Beobachters: Fall in einem beschleunigten Wagen.


Für den ruhenden Fällt der Ball ganz gewöhnlich. Für ihn ist $ F_G = mg$ die Ursache der Bewegung.

\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bilder/bewegung-bezugsystem2.eps}

Standpunkt eines mitbewegten Beobachters: Fall in einem beschleunigten Wagen.


Für den mitbewegten Beobachter sieht das ganze anders aus. Auf den Ball scheint für ihn die Kraft $ \vec{F}= \vec{F}_G - m \vec{a}$ zu wirken. Auf den Ball wirkt vom beschleunigten Beobachter aus gesehen eine zusätzliche Kraft $ m\vec{a}$, die in einem Inertialsystem nicht wirkt. Diese von einem ruhenden Beobachter aus nicht vorhandene Kraft wird deshalb auch Scheinkraft genannt. Der Begriff ist schlecht, da für den mitbewegten Beobachter die Kraft $ m\vec{a}$ sehr real ist. Der mitbewegte (beschleunigte) Beobachter muss die Scheinkraft $ \vec{F}_S = -m \vec{a}$ einführen, um die Newtonschen Axiome zu retten (diese gelten nach der Definition eigentlich nicht in einem beschleunigten Bezugssystem).



\includegraphics[width=0.7\textwidth]{Bilder/bewegung-bezugsystem-lampe.eps}

In einem beschleunigten Wagen hängende Lampe. Links der Standpunkt eines beschleunigten Beobachters, rechts der Standpunkt des mitbeschleunigten Beobachters.


Für beide, den ruhenden und den mitbeschleunigten Beobachter ist die Seilspannung im Seil, das die Lampe hält, sowie das Gewicht der Lampe das gleiche. Die Interpretation ist aber verschieden.

Zentrifugalkraft

(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 116])

Wir betrachten ein rotierendes Bezugsystem. Eine Masse $ m$ ist an einer Schnur an der Achse verbunden.

Die Erde als rotierendes System: Corioliskraft

Dieser Stoff wurde am 31.10.2001 behandelt
(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 117]) (Siehe Gerthsen, Physik[GV95, 56])



[width=0.7]Bilder/bewegung-bezugsystem-coriolis.eps

Bewegung eines von einer rotierenden Scheibe geworfenen Balls. Links der Standpunkt des ruhenden Beobachters. Rechts derjenige des mitbewegten Beobachters. (Für diesen rotiert die Welt, analog dazu dass für uns die sonne sich bewegt!)


Rotierende Bezugssysteme können mit der Zentrifugalkraft alleine nicht beschrieben werden. Da bei gleicher Winkelgeschwindigkeit die lineare Geschwindigkeit vom Abstand zur Drehachse abhängt, muss eine den Abstand zur Drehachse ändernde Bewegung notwendigerweise eine beschleunigte Bewegung sein. Diese Im rotierenden Bezugssystem auftretende Beschleunigung, die immer senkrecht zur Geschwindigkeit steht und verschwindet, wenn die Geschwindigkeit null ist, heisst die Coriolis-Beschleunigung.

Die Coriolis-Beschleunigung und Coriolis-Kraft sind für die lange Lebensdauer der Hochdruckgebiete und Tieftruckgebiete verantwortlich.

Numerische Methoden

Dieser Stoff wurde am 31.10.2001 behandelt
(Siehe Tipler, Physik[Tip94, 118])

Wie berechnet man eine Bahnkurve, wenn man die Kraft (Beschleunigung) gegeben ist? Diese Frage ist die gleich wie die Frage nach der Methode zum Lösen von Differenzialgleichungen.

Mit


$\displaystyle <a>$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\Delta v}{\Delta t}$  
$\displaystyle <v>$ $\displaystyle =$ $\displaystyle \frac{\Delta x}{\Delta t}$  

Wir können die Geschwindigkeit zur Zeit $ \Delta t$ folgendermassen berechnen:

$\displaystyle v(\Delta t) v_1 = v_0 + a_0 \Delta t$ (4.98)

Die Geschwindigkeit zur Zeit $ 2\Delta t$ ist

$\displaystyle v(2\Delta t) = v_2 = v_1 + a_1 \Delta t = v_0 + a_1 \Delta t + a_0 \Delta t$ (4.99)

Analoge Gleichungen gelten für den Ort.

Zusammen erhalten wir das Euler-Verfahren.


$\displaystyle v_{i+1}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle v_i + a_i \Delta t$  
$\displaystyle x_{i+1}$ $\displaystyle =$ $\displaystyle x_i + v_i \Delta t$ (4.100)



[width=0.7]Bilder/bewegung-euler.eps

Beispiel des Euler-Verfahrens mit $ a = a_0 (1 - \beta v^2)$. Diese Gleichung simuliert den freien Fall mit Luftwiderstand.



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Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm