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6.7  Auswahlregeln

Wir betrachten ein Dipolmoment pel = (px,py, pz) = e(x,y,z). Zwischen zwei Wellenfunktionen ist das Dipolübergangsmatrixelement für die Komponente des Dipolmoments px = e·x in die x-Richtung definiert als

         ∫   ∗                    ∫   ∗
Hs,mn  =   ψ m (r)pxψn (r)dV  = e   ψ m (r )xψn (r) dV
(6.1)

Ob ein bestimmtes Dipolübergangsmatrixelement Hs,mn existiert, hängt von den Symmetrien der Wellenfunktion ψn(r) ab.

__________________________________________________________________________

pict  pict

Links: Transformation x →−x für symmetrische und, rechts, für antisymmetrische Wellenfunktionen

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Abbildung 6.7 zeigt eine Skizze von symmetrischen und antisymmetrischen Wellenfunktionen. Wie die Abbildung zeigt, geht eine symmetrische Wellenfunktion bei der Transformation x →−x in sich selber über, während eine antisymmetrische Funktion am Nullpunkt punktgespiegelt wird. Im Folgenden nutzen wir die Symmetrie der Wellenfunktionen aus, um die erlaubten Übergänge zu bestimmen.

6.7.1  Symmetrien beim harmonischen Oszillator

Beim harmonischen Oszillator ist die potentielle Energie proportional zu x2. Dann führt die Transformation x →−x

x2 → (− x)2 = x2
(6.2)

in sich selber über. Das heisst, das Potential des harmonischen Oszillators ist unverändert bei der Transformation x →−x. Dann gilt für das Potential

V  (− x) = V  (x )
(6.3)

Ebenso ist die 2. Ableitung nach x für jede Funktion invariant unter der Transformation x →−x.

-d2-    ---d2----   -d2-
dx2  →  (d(− x))2 = dx2
(6.4)

Wir betrachten nun die zeitunabhängige Schrödingergleichung

^H (x)ψ (x) = E ψ (x)
(6.5)

und transformieren sie mit x →−x

 ^
H (− x)ψ (− x) = E ψ (− x)
(6.6)

beim harmonischen Oszillator ist nun aber

 ^         ^
H  (− x) = H (x )
(6.7)

und damit auch

^H (x) ψ(− x) = E ψ (− x)
(6.8)

Das heisst, wenn ψ(x ) eine Eigenfunktion von H^(x ) ist, ist auch ψ(− x) eine Eigenfunktion. Dabei haben wir implizit, also ohne es ausdrücklich zu erwähnen, angenommen, dass es zur Energie E nur eine Eigenfunktion (keine Entartung) gibt. Deshalb muss gelten

ψ (− x ) = αψ (x)
(6.9)

mit α einer komplexen Konstanten. Wir können aber x auch durch x ersetzen, da der Hamiltonoperator H^ diese Symmetrie auch hat. Dann lautet Gleichung (6.9)

ψ (x) = αψ (− x)
(6.10)

Wenn wir Gleichung (6.10) in Gleichung (6.9) einsetzen, dann gilt auch

ψ (x) = αψ (− x) = α2ψ (x)
(6.11)

Wenn ψ(x) nicht identisch verschwindet, muss

α2 = 1      ⇒        α = ±1
(6.12)

sein. Daraus folgt für die Wellenfunktion

        (
        { +ψ (− x)  symmetrische  Wellenfunktion  für α =  1
ψ (x) = ( − ψ (− x) antisymmetrische  Wellenfunktion  für α =  − 1
(6.13)

6.7.2  Parität

In drei Dimensionen ist die zur Transformation x →−x äquivalente Transformation die Punktspiegelung am Ursprung. Wir ersetzen in den obigen Betrachtungen x r und erhalten die Transformation

r →  − r
(6.14)

Ist nun ^H(r) invariant gegen die Transformation r →−r folgt für die Wellenfunktionen

ψ (− r ) = ± ψ (r)
(6.15)

Die Transformation r →−r ist als Paritätstransformation bekannt. Es gibt die beiden Fälle

Die Parität von Wellenfunktionen ist in der Teilchenphysik von überragender Bedeutung. Ein mit dem Nobelpreis gewürdigtes Experiment von Chien-Shiung Wu (* 31. Mai 1912 in Shanghai, China; 16. Februar 1997 in New York, USA) aus dem Jahre 1957 erbrachte den Nachweis, dass bei der schwachen Wechselwirkung die Paritätstransformation nicht gültig war. Man sagt: die Parität sei verletzt.

Beim harmonischen Oszillator gibt es Wellenfunktionen mit gerader und ungerader Parität, je nach der Hauptquantenzahl n:

6.7.3  Rotationssymmetrie

Wir betrachten nun einen Hamiltonoperator ^H, der mindestens Zylindersymmetrie oder aber eine höhere Symmetrie haben soll. Mathematisch ausgedrückt bedeutet die Zylindersymmetrie, dass

^H (r,φ + φ1) = H^(r,φ )     für φ ∈ ℝ
(6.16)

Bei einem sphärisch symmetrischen Hamiltonoperator H^ wie beim Coulombpotential sei 𝜗 konstant. Die Schrödingergleichung lautet dann

^H (r,φ + φ1) ψ (r,φ +  φ1) = E ψ (r,φ +  φ1)
(6.17)

Wegen Gleichung (6.16) können wir auch schreiben

^H (r,φ )ψ (r,φ + φ1) = E ψ (r,φ + φ1)
(6.18)

Da ψ(r,φ + φ1) eine Eigenfunktion von H^(r,φ ) ist, gilt auch

ψ (r,φ + φ1) = α (φ1) ψ (r,φ ),
(6.19)

wobei α(φ1) eine komplexwertige Funktion des Winkels φ ist. Wenn wir eine Rotation um einen zweiten Winkel φ2 betrachten, gilt

ψ (r,φ +  φ2) = α (φ2)ψ (r,φ)
(6.20)

und damit auch

ψ (r,φ + φ1 + φ2) = ψ (r,(φ + φ2) + φ1)

         = α (φ1)ψ (r,φ + φ2 ) = α (φ1) α (φ2 )ψ (r,φ)
(6.21a)
ψ (r,φ + φ1 + φ2) = ψ (r,(φ + φ1) + φ2)
         =  α(φ2)ψ (r,φ + φ1 ) = α (φ2) α (φ1 )ψ (r,φ)
(6.21b)

Andererseits folgt aus

ψ (r,φ +  φs) = α (φs)ψ (r,φ)
(6.22)

und

φs = φ1 + φ2
(6.23)

die Beziehung

ψ (r,φ + φs) = ψ (r,φ + (φ1 + φ2)) = α (φs)ψ (r,φ ) = α (φ1 + φ2 )ψ (r,φ)
(6.24)

Aus den Gleichungen (6.21a) und (6.24)

folgt daraus die Beziehung

α (φ1 +  φ2) = α (φ1)α (φ2)
(6.25)

Die Mathematik sagt uns, dass die einzige mögliche Funktion mit diesen Eigenschaften

α (φ) = eim φ
(6.26)

ist, wobei m noch unbekannt ist. Bei einer Drehung um φ = 2π erhalten wir wieder eine von der Ausgangslage ununterscheidbare Situation. Deshalb muss gelten

 2πim
e     = 1      = ⇒       m  ∈ ℤ
(6.27)

Dies ist nur möglich, wenn m eine ganze Zahl ist. Deshalb gilt auch

ψ (r,φ) = eimφ ψ(r,0)      mit m  ∈ ℤ
(6.28)

Unsere gefundene Zahl m ist kompatibel mit der magnetischen Quantenzahl m im Wasserstoffatom.

6.7.3.1. Auswahlregeln für die Wellenfunktionen aus Abbildung 6.7

Das Übergangsmatrixelement für Dipolübergänge aus Gleichung (6.1) lautet entlang der x-Achse

          +∫ ∞
Hs,mn = e    φ ∗m (x )xφn (x) dx
         − ∞
(6.29)

Deshalb definieren wir das Integral e·Imm = Hs,mm für die Matrixelemente auf der Hauptdiagonale

        +∫∞
            ∗
Imm  =    ψ m (x)xψm  (x)dx
       −∞
(6.30)

Bei der Transformation x →−x ergibt sich

       −∫∞
Imm =     ψ∗m (− x)(− x)ψm  (− x )d (− x)
      +∞
(6.31)

Wenn wir d(x) durch dx ersetzen, müssen wir das Vorzeichen des Integrals wechseln

         −∫ ∞                            ∫∞
Imm =  −    ψ ∗m (− x) (− x )ψm (− x)dx =    ψ ∗m(− x) (− x )ψm (− x)dx
         ∞                             − ∞
                             ∞∫
                        = −    ψ ∗ (− x )xψ  (− x) dx
                                 m         m
                            −∞
(6.32)

Bei der Transformation x → −x ändert ψ mψm als quadratische Funktion das Vorzeichen nicht. Also folgt

I   =  − I        = ⇒       I    = 0
 mm      mm                  mm
(6.33)

Das bedeutet, dass das Matrixelement Hs,mm 0 ist für alle m. Die Argumentation gilt auch für y und z. Es gibt in dieser Betrachtung keine Übergänge zwischen Zuständen mit der Quantenzahl m für Wellenfunktionen nach Abbildung 6.7.

Wenn m n ist, lauten die Matrixelemente

       +∫∞
Imn =    φ ∗m (x)xφn (x )dx
      −∞
(6.34)

Falls nun φn und φm gleiche Parität haben ist Imn = 0. Das heisst, dass es für Wellenfunktionen nach Abbildung 6.7 keine Dipolübergänge geben kann bei denen Δm = m2 m1 eine gerade Zahl ist. Bei ungleicher Parität der Wellenfunktionen ist Imn 0. Diese Übergänge mit Δm = m2 m1 = ±1,±3, sind für Wellenfunktionen nach Abbildung 6.7 erlaubt.

6.7.3.2. Auswahlregeln für Wasserstoffatome

Die Dipol-Matrixelemente des Wasserstoffatoms in die z-Richtung sind

     ∫
         ∗          ′ ′ ′
Iz =   ψ n,ℓ,m (r) zψn ,ℓ,m (r) dV
(6.35)

In Polarkoordinaten lauten sie

     ∫
Iz =   ψ ∗n,ℓ,m (r,𝜗,φ )(rcos 𝜗)ψn ′,ℓ′,m ′ (r,𝜗,φ) dV
(6.36)

Wir betrachten Drehungen um die z-Achse um den Winkel φ0. Wir verwenden die Transformationseigenschaft nach Gleichung (6.28) und wenden sie auf Gleichung (6.36) an und erhalten mit ψn,ℓ,m(r,𝜗, φ)

              ∫
 Iz (φ + φ0 ) =  ψ∗n,ℓ,m (r,𝜗, φ + φ0) (r cos𝜗 )ψn′,ℓ′,m′ (r,𝜗,φ + φ0)dV
  ∫
=   e−imφ0ψ ∗n,ℓ,m (r,𝜗,φ )(rcos 𝜗)eim′φ0ψn′,ℓ′,m′ (r,𝜗,φ )dV
              ∫
= e−imφ0eim′φ0  ψ ∗   (r,𝜗,φ )(rcos 𝜗)ψ  ′′  ′ (r,𝜗,φ) dV
                  n,ℓ,m                   n,ℓ,m
(6.37)

Damit ist

          −i(m−m ′)φ0
Iz (φ0) = e         Iz (0) = Iz (0) = Iz
(6.38)

da dies eine Symmetrietransformation sein soll. Diese Gleichung hat zwei mögliche Lösungen. Entweder ist

I =  0
 z
(6.39)

oder

  ′
m  =  m
(6.40)

Für Übergänge, die das Dipolmoment des Wasserstoffs in die z-Richtung ansprechen, muss also m = msein. Für die Dipolmomente in die x- und y-Richtung erhalten wir die reduzierten Integrale

pict

Aus der Mathematik der komplexen Zahlen wissen wir, dass

                                        ±iφ
x ± iy = r cosφ sin 𝜗 ± irsinφ sin𝜗 =  re   sin𝜗
(6.44)

Damit können wir Gleichung (6.43) umschreiben

         ∫               (          )
I ±iI  =    ψ∗    (r,𝜗, φ)  rsin 𝜗e±iφ  ψ ′ ′ ′ (r,𝜗, φ)dV
 x   y       n,ℓ,m                      n ,ℓ ,m
(6.45)

Wir drehen das Wasserstoffatom um φ0 um die z-Achse und erhalten

pict

Mit Gleichung (6.46) lautet Gleichung (6.45) neu (der Faktor e± fällt heraus)

          im′φ0 ±iφ0 −im φ0             i(m′±1−m)φ0
Ix±iIy = e     e    e     (Ix ± iIy) = e           (Ix ± iIy)
(6.47)

Damit Gleichung (6.47) erfüllt ist, muss gelten

pict

Wenn eine komplexe Zahl null ist, sind Imaginär- und Realteil jeder für sich null.

pict

Wir können also für das Wasserstoffatom die folgenden Regeln formulieren:

Auswahlregeln für die magnetische Quantenzahl

m = m Iz 0 linear polarisiertes Licht
(π-Polarisation)



m = m′± 1 Ix + iIy 0 zirkular polarisiert
Ix iIy 0 (±σ-Polarisation)


Auswahlregel für die Bahndrehimpulsquantenzahl (ohne Ableitung)
ℓ = ℓ′ ± 1



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