Versuch zur Vorlesung: | |
Elektronenspinresonanz: Modellversuch (Versuchskarte AT-31) | |
Versuch zur Vorlesung: | |
Elektronenspinresonanz: ESR an DPPH (Versuchskarte AT-29) | |
Elektronen können für viele Untersuchungen als punktförmige Teilchen angesehen werden. Wenn der klassische Elektronenradius berechnet wird, wird eine ausgedehnte Ladungswolke angenommen. Wenn diese Wolke einen Eigendrehimpuls hat, dann gibt es einen Kreisstrom und damit ein magnetisches Moment. Der Eigendrehimpuls des Elektrons heisst Spin, der mit dem Vektor bezeichnet wird. Aus den klassischen Überlegungen kann aus dem Drehimpuls das magnetische Moment berechnet werden. Dieses so berechnete Moment ist jedoch nicht gleich dem gemessenen magnetischen Moment – ein Zeichen, dass hier die klassische Mechanik die Physik nicht mehr richtig beschreibt.
Analog zum Bahndrehimpuls haben wir
| (6.1) |
__________________________________________________________________________
Elektronenspin , Betrag || und z-Komponente sz.
_____________________________________________________________________
Der Zusammenhang zwischen dem Bahndrehimpuls und dem dazugehörigen magnetischen Moment ℓ, beziehungsweise dem Spin und dessen magnetischem Moment s (siehe auch Abbildung 6.5.1) ist
wobei
ist. Der Wert von gℓ ist wie erwartet. Der Wert von gs ist überraschend:
Das magnetische Moment des Elektronenspins kann mit dem Bohrschen Magneton ausgedrückt werden
| (6.4) |
Das Verhältnis zwischen Drehimpuls und magnetischem Moment heisst gyromagnetisches Verhältnis γ = . Das gyromagnetische Verhältnis für den Bahndrehimpuls und den Spin ist
Der Spin kann zum Beispiel mit dem Stern-Gerlach-Versuch nachgewiesen, siehe Abbildung 6.4.1.
Versuch zur Vorlesung: | |
Natrium: Feinstruktur der D-Linie (Versuchskarte AT-48) | |
Wenn man die Natrium-D-Linie untersucht, findet man, dass diese in ein Dublett aufgespalten ist. Diese Aufspaltung nennt man auch Feinstruktur. Sie entsteht, weil der Spin und der Bahndrehimpuls wechselwirken.
__________________________________________________________________________
Spin-Bahn-Kopplung
_____________________________________________________________________
Abbildung 6.5.2 zeigt eine Skizze der Spin-Bahn-Kopplung. Der Drehimpuls und der Spin bilden zusammen den Gesamtdrehimpuls .
| (6.7) |
mit = .
Wir betrachten ein p-Elektron mit der Bahndrehimpulsquantenzahl ℓ = 1 und der Spinquantenzahl s = .
Wenn der Bahndrehimpuls verschwindet (ℓ = 0) wird die Quantenzahl des Gesamtdrehimpulses gleich der Quantenzahl des Spins j = s.
Die magnetische Quantenzahl des Gesamtdrehimpulses, die die Richtungsquantisierung darstellt, ist
| (6.10) |
Wie beim Bahndrehimpuls und dem Spin gehört zu jedem Gesamtdrehimpuls ein magnetisches Moment j. Für optische Übergänge gilt die Auswahlregel: Δj = 0,±1, wobei der Übergang j = 0 → j = 0 verboten ist.
__________________________________________________________________________
Spin-Bahnkopplung nach Bohr
_____________________________________________________________________
Zur Berechnung der Spin-Bahn-Aufspaltung im Magnetfeld betrachtet man das Atom im Ruhesystem des Elektrons. Nach Biot-Savart ist das Magnetfeld der Kernladung +Ze
| (6.11) |
wobei = × me ⇒− = me× verwendet wurde. Also ist das Magnetfeld
| (6.12) |
Der Spin des Elektrons präzediert um ℓ.
__________________________________________________________________________
Spinpräzession. Links Skizze, rechts Vektoraddition
_____________________________________________________________________
Nach Gleichung (6.2a) ist das magnetische Moment eines Spins s = −gs. Setzt man dies in die Gleichung für die Lageenergie eines magnetischen Moments in einer magnetischen Induktion Eℓ,s = −s ⋅ ein, erhält man
| (6.13) |
Wenn man gs = 2 setzt, erhält man mit Gleichung (6.12)
| (6.14) |
Eine genaue relativistische Betrachtung sowie experimentelle Daten zeigen, dass die Gleichung (6.14) um einen Faktor 1∕2 zu falsch ist. Llewellyn Thomas entdeckte während seiner Doktorarbeit, dass bei der Rücktransformation aus dem mitrotierenden Koordinatensystem ins Laborsystem die relativistische Zeitdilatation berücksichtigt werden muss [Tho26]. Seine Argumentation (im cgs-System!) war wie folgt:
Das Elektron präzediert um das externe Magnetfeld mit (SI: s = ). Das Elektron bewegt sich mit der Geschwindigkeit durch die elektrische Verschiebung = 𝜀0 des Kerns, was nach Maxwell zu einem Magnetfeld
|
führt. Die Präzessionswinkelgeschwindigkeit ist dann
|
Diese Gleichung ist falsch. Das Elektron erfährt eine Beschleunigung . Man muss eine Lorentz-Transformation mit der Geschwindigkeit + dt verwenden, sowie beachten, dass der Spin zur Zeit t + dt gedreht ist. Also hat man nach Thomas eine Geschwindigkeit dt und eine Rotation (1∕2c2)×dt zu beachten. Die Präzession wird dann in erster Näherung durch
|
Nun ist die Beschleunigung durch
|
gegeben. Also ist die Präzessionswinkelgeschwindigkeit
(6.15) |
Die Winkelgeschwindigkeit der Thomaspräzession ist halb so gross wie die naiv berechnete. Deshalb wird auch die Energie des magnetischen Momentes halb so gross sein. Aus der Argumentation von Thomas folgt, dass Gleichung (6.14) mit dem Faktor , dem aus der relativistischen Betrachtung folgenden Thomasfaktor korrigiert werden muss. Wir haben also für die Energie
| (6.16) |
__________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
Aus dem Cosinus-Satz für beliebige Dreiecke (siehe Abbildung 6.5.2)
| (6.17) |
erhalten wir mit der Winkelidentität
| (6.18) |
und
| (6.19) |
schliesslich
| (6.20) |
Gleichung (6.16) mit dem Zwischenwinkel zwischen und kann also auch
geschrieben werden. Andererseits ist mit Gleichung (6.20)
Setzt man in Gleichung (6.22) ℓ = 1, s = und j = oder j = , erhält man die in der Abbildung 6.5.2 gezeigten Aufspaltung durch die Spin-Bahn-Kopplung.
__________________________________________________________________________
p-Aufspaltung nach Gleichung (6.22).
_____________________________________________________________________
Der Radius r in der Konstanten a in Gleichung (6.21) ist rn, der Radius der n-ten Bohrschen Bahn. Für diese Bahn gilt
| (6.23) |
und damit
|
Da es in der Quantenphysik keine festen Bahnen gibt, muss r−3 durch den mit der Wellenfunktion gewichteten Wert
| (6.24) |
ersetzt werden. Man erhält so
| (6.25) |
__________________________________________________________________________
Elektronenspinresonanz
_____________________________________________________________________
Die präzedierenden Elektronenspins (Skizze in Abbildung 6.5.2.1) wechselwirken besonders stark mit Licht, wenn dieses in Resonanz mit der Präzessionsfrequenz ist. Die Länge eines Spins ist
| (6.26) |
Dieser steht dann im Winkel α zum Magnetfeld.
| (6.27) |
Das magnetische Moment eines Spins in Einheiten des Bohrschen Magnetons μB ist
| (6.28) |
wobei seine z-Komponente entlang des Magnetfeldes durch
| (6.29) |
gegeben ist. Die beiden möglichen Niveaus haben den Energieunterschied
| (6.30) |
__________________________________________________________________________
Situation von oben gesehen
_____________________________________________________________________
Übergänge treten auf, wenn die Energie des Lichtes dem Energieunterschied der beiden Spinzustände entspricht.
| (6.31) |
oder
| (6.32) |
Die Präzessionswinkelgeschwindigkeit (Skizze in Abbildung 6.5.2.1) ist
| (6.33) |
mit einem von den atomaren Zuständen abhängigen Proportionalitätsfaktor γ.
__________________________________________________________________________
Elektronen-Spin-Resonanz: Aufbau
_____________________________________________________________________
Abbildung 6.5.2.1 zeigt den Aufbau einer ESR-Apparatur. Die Resonanz der Mikrowellen mit den Spins im Magnetfeld bewirkt einen Abfall des Signals an der Detektionsdiode.
Versuch zur Vorlesung: | |
Normaler Zeeman-Effekt: Berechnung von e∕m (Versuchskarte AT-14) | |
_______________________________________________
Zeeman-Effekt klassisch
_____________________________________________________________________
Die Wechselwirkug der Spins und der Bahndrehimpulse mit der magnetischen Induktion bewirkt eine Aufspaltung der Energieniveaus im Magnetfeld.
Eine lineare elektromagnetische Schwingung schräg zum -Feld kann in drei Komponenten aufgeteilt werden. Diese drei Polarisationskomponenten ergeben wieder die ursprüngliche elektromagnetische Schwingung. Die Polarisationskomponenten sind in Abbildung 6.5.3 gezeigt:
Die magnetische Induktion beeinflusst die lineare Schwingung nicht. Die zirkularen Schwingungen (linkszirkular) und (rechtszirkular) beschleunigen oder bremsen die Umlauffrequenz der Elektronen auf ihren Bahnen. Die Frequenzänderung wird die Larmor-Frequenz genannt. Sie ist
| (6.34) |
Entsprechend den Überlegungen zu (6.2b) ist beim Bahndrehimpuls ist g = gℓ = 1.
Die Bewegungsgleichung eines Elektrons im Magnetfeld lautet
| (6.35) |
Beachten Sie, dass die Ladung des Elektrons negativ ist und dass die externe magnetische Induktion als B0 = const angenommen wird.
Allgemein lautet die Identität zwischen Coulombkraft und Zentripetalkraft
| (6.36) |
Zusammen und auf einer Seite (die z-Komponente der Lorentzkraft ist null) erhalten wir
| (6.37) |
Für die z-Komponente folgt aus Gleichung (6.37) (c), dass z = z0 exp nicht von der magnetischen Induktion B0 abhängt. Wir setzen u = x + iy und v = x − iy, oder x = und y = und erhalten aus Gleichung (6.37) (a) und (b), den Gleichungen für die x- und die y-Komponenten
| (6.38) |
Weiter formt man um:
| (6.39) |
| (6.40) |
| (6.41) |
Zur Lösung setzen wir an
Eingesetzt in die Gleichungen (6.41) erhalten wir
Wir bekommen also die folgenden Gleichungen für die Unbekannten im Exponenten:
Wenn B0 « ist, dann sind die Lösungen dieser Gleichungssysteme
Wenn wir bei ω0 nur das positive Vorzeichen nehmen, erhalten wir
Die Kreisfrequenz spaltet sich dann wie folgt auf:
| (6.47) |
mit
| (6.48) |
Dies entspricht einer Frequenz
| (6.49) |
Der klassische Zeeman-Effekt bewirkt eine
konstante Frequenzverschiebung. Es gibt ein Zeeman-Triplett mit
|
__________________________________________________________________________
_____________________________________________________________________
Da der g-Faktor des Spins und des Bahndrehimpulses unterschiedlich sind, ist das magnetische Moment des Gesamtdrehimpulses nicht antiparallel zum Gesamtdrehimpuls, sondern präzediert um die Richtung des Gesamtdrehimpulses. Der Gesamtdrehimpuls ist parallel zur externen magnetischen Induktion . Da die Präzessionsfrequenz enorm hoch ist, kann durch eine Messung nur die Projektion von j auf die Richtung von bestimmt werden, j.
__________________________________________________________________________
Die Winkel zur Berechnung des g-Faktors.
_____________________________________________________________________
Wir definieren die Winkel α = ∠(,) und β = ∠(,). In Abbildung 6.5.3.1 sind die Winkel für einen der beiden Spins aus Abbildung 6.5.3 eingezeichnet. Die Darstellung zeigt die Projektionen der magnetischen Momente ℓ (lila) und s1 (blau) auf die Richtung des Gesamtdrehimpulses . Wir können für die Länge des gesamten projizierten magnetischen Moments schreiben
Eine analoge Darstellung gilt für den anderen Spin aus Abbildung 6.5.3.
Aus Abbildung 6.5.3.1, rechte Seite, kann man mit dem Cosinussatz a2 = b2 + c2 − 2bc cos(∠(b,c)) und (b2 + c2 − a2)(2bc)−1 = cos(∠(b,c)) ablesen
Weiter bekommen wir mit Gleichung (6.51)
Mit der Definition
| (6.55) |
bekommen wir für den
g-Faktor des Gesamtdrehimpulses
|
Das messbare magnetische Moment des Gesamtdrehimpulses ist dann
| (6.57) |
Mit Gleichung (6.56) bekommen wir die folgende Tabelle
___________________________________________________________________________
|
_______________________________________________________________
Zur quantenmechanischen Behandlung des Zeeman-Effekts benötigen wir den Hamiltonoperator im Magnetfeld. Wir vermuten, dass
sei. Eine Rechnung mit kanonischen Impulsen ergibt mit den Ersetzungen −→ und = ×
Im Anhang F.1 finden Sie eine Rechnung zur Plausibilität dieses Hamilton-Operators. Setzen wir den Impulsoperator = −iℏgrad = −iℏ ein, erhalten wir
| (6.63) |
Denken Sie daran dass in dieser abgekürzten Schreibweise grad kurz für grad (ψ) ist. Ist die magnetische Induktion in die z-Richtung ausgerichtet, also = , ist ein mögliches Vektorpotential
| (6.64) |
Damit lautet Gleichung (6.63)
(6.65) |
Wenn das Vektorpotential (Einheit T m) vom Betrage nach viel kleiner ist als der Impuls, also e « , kann der Term mit 2 oder der Term mit (x2 + y2) vernachlässigt werden. Dies ist gleichbedeutend mit der Aussage, dass der Diamagnetismus vernachlässigt wird. Der Zeeman-Effekt kann dann durch ein Potential ausgedrückt werden.
Nach Gleichung (6.5) und Gleichung (6.10c) ist
|
Wenn nun das Potential V (r) kugelsymmetrisch ist, lautet Gleichung (6.65)
(6.66) |
Gleichung (6.66) kann wie das Wasserstoffatom im magnetfeldfreien Raum durch den Ansatz (6.13) gelöst werden. Dies führt zu Gleichung (6.115)
|
Die Energieeigenwerte sind aber
Hier ist En0 die Energie des n-ten Niveaus im magnetfeldfreien Raum. Beachten sie, dass zu diesem Zeitpunkt nur mit Bahndrehimpulsen gerechnet wurde. Gleichung (6.71) gibt die vollständige Gleichung an
__________________________________________________________________________
Zeeman-Aufspaltung für Übergänge n + 1 → n, n + 2 → n, n + 2 → n + 1, n + 3 → n, n + 3 → n + 1 und n + 3 → n + 2.
_____________________________________________________________________
Die Auswahlregeln gelten auch bei den Zeeman-aufgespaltenen Linien. Die Dipol-Auswahlregeln (siehe Abschnitt 6.7) erlauben nur
| (6.68) |
Experimentell findet man, dass von allen Elementen nur Ca und Yb den normalen Zeeman-Effekt zeigen. Alle anderen Atome zeigen den anomalen Zeeman-Effekt. Bei diesem muss der Spin des Elektrons mit berücksichtigt werden. Die dazugehörige Schrödingerleichung, die Pauli-Gleichung, lautet
| (6.69) |
Wird die Spin-Bahn-Kopplung auch noch berücksichtigt, bekommt man
(6.70) |
Aus dieser Gleichung folgt, ohne Rechnung, dass die Energieeigenwerte
sind. Dabei ist
|
der in (6.56) definierte Landé-Faktor.
Bei der Spektroskopie von Atomen in hohen Magnetfeldern spricht man vom Paschen-Back-Effekt. Dieser tritt auf, wenn die Feinstrukturaufspaltung durch die Kopplung von magnetischen Spinmomenten mit Bahndrehimpulsmomenten nicht mehr wesentlich grösser ist als die Kopplung der Spins oder der Bahndrehmomente an das externe Magnetfeld. Durch das hohe Magnetfeld wird die Spin-Bahn-Kopplung aufgelöst, das heisst und koppeln nicht mehr. Der Gesamtdrehimpuls existiert nicht mehr. Das Spektrum vereinfacht sich. Was bleibt ist die Magnetfeldaufspaltung. Die magnetische Zusatzenergie ist nun
| (6.72) |
Beachten Sie, dass der Faktor 2 vor der Spinkomponente der g-Faktor ist (keine Quantenfeldtheorie). Die Energieaufspaltung ist
| (6.73) |
Abbildung 6.5.4 gibt eine Skizze der Elektronenniveaus der Natrium-D-Linien.
__________________________________________________________________________
Paschen-Back-Effekt bei starken Magnetfeldern.
_____________________________________________________________________