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6.3  Elektromagnetische Wellen im Doppelleitersystem

Wir untersuchen die Wellenphänomene an 3 Testsystemen,

  1. Doppelleitung oder Lecher-Leitung, die besonders einfach auszumessen ist
  2. Der Doppelleitung aus parallelen Ebenen, die wichtig für die Printplattentechnologie ist und besonders einfach zu berechnen ist
  3. dem Koaxialkabel, der technisch wichtigen Anwendung für Verbindungen.


Versuch zur Vorlesung:
Lecherleitung (Versuchskarte SW025)




Versuch zur Vorlesung:
Koaxialleitung (Versuchskarte SW085)


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3 mögliche Doppelleitersysteme. Links die Lecherleitung, in der Mitte eine Doppelleiterleitung, wie sie bei Printplatten üblich ist und rechts ein Koaxialkabel

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Wenn man das Doppelleitersystem mit elektromagnetischen Wellen mit einer Wellenlänge von etwa λ = 1m speist, beobachtet man folgendes

  1. Das am Ende offene Doppelleitersystem zeigt Knoten und Bäuche des E- und des B-Feldes in Richtung . Der Abstand der Intensitätsmaxima beträgt λ∕2 für beide Felder. Die Maxima der E-Feldes sind gegen denen des B-Feldes verschoben. Wir haben stehende Wellen.
  2. Das am Ende mit einem Kurzschlussbügel versehene System zeigt das gleiche Verhalten wie vorher. Die Maxima sind jedoch verschoben. Wieder haben wir stehende Wellen.
  3. Wenn das Doppelleitersystem mit einem Widerstand von etwa 400Ω abgeschlossen ist, verschwinden die Maxima. Es gibt keine stehenden Wellen.
  4. Die Richtungen von E und B sind analog wie beim Kondensator.

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Ansicht von oben

Ansicht von unten

Bestückungsseite

Seite mit Wellenleitern

800 MHz-Breitbandverstärker für Fernsehsignale. Auf der Unterseite sind die Wellenleiterstrukturen sichtbar (Mittlere Struktur in Abbildung 6.3)

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Abbildung 6.3 zeigt beispielshaft eine Hochfrequenzschaltung. Die Wellenlänge der verstärkten Signale ist zwar einiges grösser als die Schaltung. Die auf der Unterseite sichtbaren Wellenleiterstrukturen verhindern eine unkontrollierte Abstrahlung elektromagnetischer Energie.

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Magnetfelder und elektrische Felder bei einer Lecherleitung.

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Magnetfelder und elektrische Felder bei einer Doppelleitung aus parallelen Platten

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Folien zur Vorlesung vom 09. 07. 2009: PDF
Aufgabenblatt 13 für das Seminar vom 15. 07. 2009 (Ausgabedatum 09. 07. 2009): (HTML oder PDF)


Wir setzen für die E-Welle in der Geometrie der obigen Zeichnung an

Ex (z,t)  =   − E0 cos (kz − ωt)       (6.1)

Ey (z,t)  =   0
Ez (z,t)  =   0
Dieses Feld erfüllt die Wellengleichung. Wir behaupten, dass das B-Feld durch
Bx (z,t)  =  0                         (6.2)
               E0-
By (z,t)  =  −  c  cos(kz − ωt)
Bz (z,t)  =  0
gegeben ist. Auch diese Gleichung erfüllt sie Wellengleichung. Wir verwenden die zweite Maxwellgleichung, um zu zeigen, dass die Kopplung richtig ist. Wir schreiben rot E = (∂∕∂t)B in Komponenten
(                                    )      (               )
  ∂Ez    ∂Ey  ∂Ex    ∂Ez  ∂Ey    ∂Ex          ∂Bx  ∂By  ∂Bz
  ----−  ----,----−  ----,---- − ----  =  −   ----,----,----
  ∂y     ∂z   ∂z      ∂x   ∂x     ∂y           ∂t   ∂t   ∂t
(6.3)

Die x- und die z-Komponenten sind null, nach der Voraussetzung. Die y-Komponente lautet

∂Ex-      ∂By-
 ∂z  =  − ∂t
(6.4)

Mit c = ω∕k ist diese Kopplungsgleichung, die zweite Maxwellgleichung erfüllt. Die vierte Maxwellgleichung ist ebenfalls erfüllt. Aus ihr erhält man

∂Ex- =  − c2 ∂By
 ∂t         ∂z
(6.5)

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Ausbreitung von elektromagnetischen Wellen

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Diese elektromagnetischen Wellen im Innenraum zwischen den beiden Leitern müssen auch in den angrenzenden Leitern Ladungswellen und Stromwellen erzeugen, die mit den Maxwellgleichungen kompatibel sind. Für die Ladungen gilt mit der ersten Maxwellschen Gleichung für die Oberflächenladungsdichte

σ (z,t) = − 𝜀0Ex (z,t) = 𝜀0E0 · cos(kz − ωt)
(6.6)

Die Oberflächenladungsdichte ist eine fortlaufende Welle. Die Erhaltung der elektrischen Ladung bedingt für die Oberflächenladungsdichte in einem Abschnitt der Breite b

                             ∂σ-(z,t)
b·  [j (z + dz,t) − j (z,t)] = −   ∂t   ·b·dz
(6.7)

und damit

∂j (z,t)-= − ∂σ-(z,t)-= 𝜀0E0· ω· sin(kz − ωt )
  ∂z           ∂t
(6.8)

Die Integration über z und die Verwendung von c = ω∕k ergibt

j (z,t) = 𝜀0E0·c · cos(kz − ωt)
(6.9)

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Integrationspfad zur Anwendung des vierten Maxwellschen Gesetzes

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Mit dem vierten Maxwellschen Gesetz SB·ds = ∬ A(S) μ0(          )
        ∂E--
  i + 𝜀0 ∂t·da erhalten wir mit dem eingezeichneten Integrationsweg, da der Term mit E keinen Beitrag gibt (er liegt in der Integrationsebene)

− By (z,t)·h  = μ0 ·h ·j (z,t) = μ0·h · 𝜀0·E0 ·c · cos(kz − ωt )
(6.10)

Mit 𝜀0·μ0 = 1∕c2 folgt

             E0
By (z,t) = − --· cos(kz −  ωt)
             c
(6.11)

eine identische Gleichung zu der im Zwischenraum abgeleiteten. Die Lösung für die auf dem Zweileitersystem transportierten Wellen ist also kompatibel mit den Maxwellgleichungen. Ladungen und Ströme bewegen sich als Wellen auf der Innenseite der Leiter.

6.3.1  Wellenwiderstand

Durch die in Abschnitt 6.3 abgeleiteten Gleichungen sind an jedem Ort z entlang des Doppelleitersystems und zu jeder Zeit t die lokal fliessenden Ströme I(z,t) und die elektromotorische Kraft (Spannung) UEMK(z,t) gegeben. Wenn wir nun an einer festen Stelle z in Gedanken einen ohmschen Widerstand zwischen den beiden Leitern einfügen, so muss dieser Widerstand einen vom Wellenleitersystem gegeben Wert haben, dass die elektromotorische Kraft UEMK(z,t) genau den Strom I(z,t) durch den Widerstand treibt. UEMK und I sind dabei von der Wellengleichung gegeben. Nur wenn der Widerstand angepasst ist, also wenn

             o∫ben
Uemk (z,t) =      E ·ds  = − d·Ex  (z,t) = d·E0 ·  cos(kz − ωt)
            unten
(6.12)

gilt, wird aller Strom verbraucht. In allen anderen Fällen bleibt Strom übrig, der an der Stelle reflektiert werden kann, oder die elektromotorische Kraft treibt zusätzlichen Strom durch den Widerstand: dieser wird mit umgekehrtem Vorzeichen reflektiert.

Der gesamte Oberflächenstrom auf der oberen Platte an der Stelle z ist

I (z,t) = b·j (z,t) = b· 𝜀0·E0 ·c · cos(kz − ωt)
(6.13)

Wenn man an einer beliebigen Stelle das Doppelleitersystem entzweischneidet und dort den Widerstand

                     ∘ ---
  ∗   Uemk (z,t)   d   μ0
R   = ---------- = --  ---
        I (z,t)     b   𝜀0
(6.14)

den Wellenwiderstand, anschliesst, gibt es einen reflexionsfreien Abschluss, wir haben eine reine fortlaufende Welle. Das gleiche gilt für jede beliebige fortlaufende Welle, auch wenn sie nicht harmonisch ist.

Das Zweidraht-Doppelleitersystem hat den Wellenwiderstand

                 ∘ ---
  ∗   1-   (4a-)   μ0-
R   = π ln   d     𝜀
                    0
(6.15)

Die Grösse

      ∘ ---
 ∗      μ0-
R0 =    𝜀  = 377 Ω
         0
(6.16)

ist der Wellenwiderstand des Vakuums.

Der Wellenwiderstand ist wichtig für das korrekte Arbeiten von Hoch- und Höchstfrequenzschaltungen.

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Pulse in einem Koaxialkabel. Oben links: korrekter Abschlusswiderstand, Oben Mitte zu kleiner und rechts zu grosser Abschlusswiderstand. Unten links ein Kurzschluss und rechts ein offenes Ende.

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Wellenleiter (Koaxialkabel, Lecherleitungen, Hohlleiter) erzeugen nur dann keine Reflexionen, wenn sie mit einem Abschlusswiderstand mit dem Wert ihres Wellenwiderstandes abgeschlossen werden (Siehe Abbildung 6.3.1).

6.3.2  Stehende Wellen

Stehende Wellen werden aus zwei fortlaufenden Wellen mit entgegengesetztem Wellenvektor k zusammengesetzt. Dabei müssen E, B und k in dieser Reihenfolge ein Rechtssystem bilden1 . Die nach rechts laufende Welle wurde schon berechnet (hier sind nur die von null verschiedenen Komponenten angegeben)

Ex (z,t)  =   − E0 cos(kz − ωt )      (6.17)
               E0-
By (z,t)  =   −  c cos(kz − ωt)
Die nach links laufende Welle ist dann gegeben durch (Rechtssystem!)
E ′(z,t) =   − E  cos(kz + ωt)       (6.18)
  x             0
B ′(z,t) =   E0-cos(kz + ωt )
  y           c
Die Superposition der beiden Wellen ergibt die folgenden nicht verschwindenden Komponenten
E^x (z,t)  =  − 2E0 cos(kz) cos(ωt )     (6.19)
                E0
B^y (z,t)  =  − 2--- sin(kz )sin (ωt )
                 c

Im Gegensatz zu laufenden Wellen sind bei stehenden Wellen die Maxima der E- Felder und der B-Felder gegeneinander um λ∕4 verschoben.



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