Kinetische Gastheorie

Die kinetische Gastheorie berechnet für System ausser in Stössen nicht wechselwirkender Teilchen thermodynamische Grössen aus den Bewegungseigenschaften. Wir nehmen an, dass Gase aus einzelnen sich ungeordnet bewegenden Teilchen bestehen.

Die Orte der Teilchen sind weniger relevant. Deshalb konzentrieren wir uns auf die Geschwindigkeiten. Ein einzelnes Teilchen hat die vektorielle Geschwindigkeit

$\displaystyle \vec{v}=\left( v_{x},v_{y},v_{z}\right)$ (4.298)

wobei

$\displaystyle v^{2}=v_{x}^{2}+v_{y}^{2}+v_{z}^{2}$ (4.299)

Dabei bedeutet zum Beispiel $ v_{x}$ die Geschwindigkeitskomponente entlang der $ x$-Koordinate (die durch den Einheitsvektor $ \vec{e}_x$ repräsentiert wird.

$\displaystyle v_x = \vec{v}\cdot \vec{e}_x$    

Jedes Atom (oder Molekül) hat seine eigene Geschwindigkeit $ v_x$, die auch mit der Zeit variieren kann. Charakterisiert wird die Geschwindigkeitsverteilung, das heisst, die Wahrscheinlichkeit, eine bestimmte Geschwindigkeit zu finden, durch statistische Kennzahlen wie den Mittelwert

$\displaystyle \left<v_x\right> = \frac{1}{N}\sum\limits_{i=1}^N v_{x\text{,} i}$    

Da die Koordinaten $ x$, $ y$ und $ z$ gleichwertig sind, gilt

$\displaystyle \left<v_{x}^{2}\right>=\left<v_{y}^{2}\right>=\left<v_{z}^{2}\right>$ (4.300)

Aus Gleichung (4.21) folgt auch, dass die entsprechenden Mittelwerte summiert werden, um den Mittelwert $ \left< v^2\right>$ zu bekommen.

$\displaystyle \left<v^{2}\right>=3\left<v_{x}^{2}\right>=3\left<v_{y}^{2}\right>=3\left<v_{z}^{2}\right>$ (4.301)

Stösst nun ein Atom (oder Molekül) elastisch mit der Wand, die bei $ x=0$ senkrecht zu $ \vec{e}_x$ steht, so ist die Impulsänderung

$\displaystyle \Delta p_x =2m v_{x}$ (4.302)





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{energie-001}
Berechnung des Impulsübertrages auf die Wand




Zur Berechnung verwenden wir die Teilchendichte

$\displaystyle n=\frac{N}{V}$    

Die Anzahl Teilchen, die in die $ x$-Richtung fliegen, ist proportional zum Volumen

$\displaystyle V = A\cdot v_x dt$    

Damit erhalten wir

$\displaystyle d\Upsilon = n\cdot V = n\cdot A\cdot v_{x}dt$    

Die gesamte Impulsänderung an der Wand ist dann

$\displaystyle dp=2mv_{x}\;d\Upsilon=2m\;v_{x}\;n\;A\;v_{x}\;dt = 2\; m \; n\; v_x^2\; A\; dt$    

Die Impulsänderung pro Zeit ist aber die Kraft auf die Fläche $ A$

$\displaystyle \frac{dp}{dt}=F=2m\;n\;A\;v_{x}^{2}$ (4.303)

Die über die Zeit gemittelte Kraft ist

$\displaystyle \left<F\right>_t=2m\;nA\;\left<v_{x}^{2}\right>$ (4.304)

Nun schliesst $ \left<v_{x}^{2}\right>$ sowohl Teilchen, die nach rechts laufen, wie auch solche, die nach links laufen, ein. Im Mittel läuft die Hälfte der Teilchen nach links und die andere Hälfte nach rechts. Der Druck, die Kraft pro Fläche ist dann

$\displaystyle p =\frac{1}{2}\frac{\left<F\right>_{t}}{A}=\frac{1}{3}m\; n\left<v^{2}\right>_{t}$ (4.305)

wobei wir Gleichung (4.23) und Gleichung (4.25) verwendet haben. Gleichung (4.27) ist bekannt unter dem Namen Grundgleichung von D. Bernoulli.

Wir wissen, wie d $ \left<v^2\right>_t$ mit der kinetischen Energie zusammenhängt.

$\displaystyle \left<E_{kin}\right>_{t}=\frac{1}{2}m\left<v^{2}\right>_{t}=\frac{3}{2}kT$    

Mit dieser Gleichung wird Gleichung (4.27)

$\displaystyle p=n\;kT$ (4.306)

Schreiben wir die Teilchendichte $ n=\frac{N}{V}$ aus, bekommen wir

$\displaystyle pV=NkT$ (4.307)

die Zustandsgleichung des idealen Gases.

Bitte beachten Sie, dass wir in der Herleitung die folgenden Annahmen gemacht hatten:

In der Wärmelehre ist es auch üblich, die ideale Gaskonstante

$\displaystyle R=N_{A}k=8.31\frac{J}{K {mol}}$ (4.308)

zu verwenden. Gleichung (4.29) lautet dann

$\displaystyle pV=\nu RT$ (4.309)

wobei $ \nu$ die Anzahl Mole, auch Molzahl genannt, ist.

Aus dem Gesetz für das ideale Gas, Gleichung (4.29) bekommt man drei weitere Gesetze

Gesetz von Boyle-Mariotte   $\displaystyle p$ $\displaystyle \propto \frac{1}{V}$   $\displaystyle (T=$const$\displaystyle .)$ (4.310)
Gesetz von Gay-Lussac   $\displaystyle p$ $\displaystyle \propto T$   $\displaystyle (V=$const$\displaystyle .)$ (4.311)
Gesetz von Charles   $\displaystyle V$ $\displaystyle \propto T$   $\displaystyle (p=$const$\displaystyle .)$ (4.312)

Diese drei Gesetze sind älter als das ideale Gasgesetz Gleichung (4.29) . deshalb werden sie häufig vor diesem behandelt. Es ist jedoch müssig, diese Gesetze zu lernen, sie sind einfache Folgerungen aus dem idealen Gasgesetz.

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm