Unterabschnitte

Anzahl Zustände und externe Parameter

(Siehe Reif, Statistical and Thermal Physics [Rei65, pp. 112])

Wir lassen nun einen externen Parameter $ x$ zu. $ x$ könnte zum Beispiel das Volumen $ V$ sein. Die Anzahl Zustände $ \Omega\left(E\text{,} x\right) $ zwischen $ E$ und $ E+\delta E$ hängt nun von $ x$ ab. Sei $ x$ im Intervall $ x\rightarrow x+dx$.

Wenn $ x$ sich um $ dx$ ändert, ändert sich die Energie des Mikrozustandes $ E_{i}\left( x\right)$ um den Wert $ \frac{\partial E_{i}}{\partial x}dx$. Die Änderung $ \frac{\partial E_{i}}{\partial x}$ ist für jeden Zustand anders.

Wir nennen $ \Omega_{y}(E$,$  x)$ die Anzahl Zustände zwischen $ E$ und $ E+\delta E$ deren Ableitungen $ \frac{\partial E}{\partial x}$ zwischen $ Y$ und $ Y+\delta
Y$ liegen.

$\displaystyle \Omega\left( E\text{,} x\right) =\sum\limits_{Y}\Omega_{Y}\left( E\text{,} x\right)$ (4.446)

Wenn wir $ x$ um $ dx$ ändern, wie viele Zustände wechseln dann von einer Energie kleiner $ E$ zu einer Energie grösser als $ E$?

$\displaystyle \sigma_{Y}\left( E\right) =\frac{\Omega_{Y}\left( E\text{,} x\right) }{\delta E}Ydx$ (4.447)

Die Summe über alle Zustände ist

$\displaystyle \sigma\left( E\right) =\sum\limits_{Y}\sigma_{Y}\left( E\right) =...
...elta E}Y dx=\frac {\Omega\left( E\text{,} x\right) }{\delta E}\left<Y\right>dx$ (4.448)

mit dem Mittelwert

$\displaystyle \left<Y\right>=\frac{1}{\Omega\left(E\text{,} x\right)
}\sum\limits_{Y}\Omega_{Y}\left(E\text{,} x\right)Y$    

.

Wenn die Energie

$\displaystyle E_{i}=E_{i}(x_{1}\ldots x_{n})$    

eine Funktion von $ x_1\ldots x_n$ ist gilt für die Änderung der Energie des Zustandes $ i$.

$\displaystyle dE_{i}=\sum\limits_{j}\frac{\partial E_{i}}{\partial x_{j}}dx_{j}$    

In der Physik heisst die Grösse

$\displaystyle \frac{\partial E_{i}}{\partial x_{j}}=-X_{j\text{,} i}$    

die zur Variablen $ x_j$ konjugierte verallgemeinerte Kraft.

Dieser Stoff wurde am 21. 06. 2007 behandelt

\includegraphics[height=8mm]{icon-mat} Materialien

Folien zur Vorlesung am 21. 06. 2007 PDF

Übungsblatt 11 ausgegeben am 25. 06. 2007

Zum Beispiel gilt $ dU=\delta Q-pdV$ und damit

$\displaystyle \frac{dU}{dV}=-p$    

$ p$ ist also die zum Volumen konjugierte verallgemeinerte Kraft.

Analog erhalten wir mit $ Y=\frac{\partial E_{i}}{\partial x}$ die Beziehung

$\displaystyle \left<Y\right>=\left<\frac{\partial E_{i}}{\partial x}\right>=-\left<X\right>$ (4.449)

Die dazugehörige Arbeit $ \delta W_i$ ist allgemein so definiert (Gleichung für totale Differentiale):

$\displaystyle \delta W \equiv -d E_i = \sum\limits_\alpha X_{\alpha\text{,} i}x_\alpha$ (4.450)



Variable verallgemeinerte Kraft
die Distanz $ x$ die normale Kraft $ F$
das Volumen $ V$ der Druck $ p$
die Oberfläche $ A$ die Oberflächenspannung $ \sigma_S$
Beispiele für verallgemeinerte Kräfte


Wie ändert sich nun $ \Omega\left(E\text{,} x\right) $ wenn $ x$ nach $ x+\delta x$ ändert? $ \sigma(E)$ ist nach der Definition in Gleichung (4.170) die Zahl der Moleküle von unterhalb $ E$ nach oberhalb $ E$ wechselt. Die Grösse $ \frac{\partial\Omega\left(E\text{,} x\right) }{\partial x}dx$ nimmt zu, weil $ \sigma(E)$ Zustände hinzukommen und $ \sigma(E+\delta E)$ Zustände wegfallen. Die Bilanz ist (wir verwenden die Definition der Ableitung)

$\displaystyle \frac{\partial\Omega\left(E\text{,} x\right) }{\partial x}dx=\si...
...ht) -\sigma\left( E+\delta E\right) =-\frac{\partial\sigma}{\partial E}\delta E$ (4.451)

Aus Gleichung (4.171) bekommt man

$\displaystyle \frac{d\sigma}{dx} = \frac{\partial\Omega\left(E\text{,} x\right)}{\delta
E}\left<Y\right>$    

und damit

$\displaystyle \frac{\partial\Omega\left(E\text{,} x\right) }{\partial x}dx$ $\displaystyle =-\frac{\partial\sigma}{\partial E}\delta E$    
  $\displaystyle = -\frac{\partial}{\partial E}\left[\frac {\Omega\left( E\text{,} x\right) }{\delta E}\left<Y\right>dx\right]\delta E$    
  $\displaystyle =-\frac{\partial}{\partial E}\left[ {\Omega\left( E\text{,} x\right) }\left<Y\right>\right]dx$    

$ dx$ kommt auf beiden Seiten der Gleichung vor und kann deshalb gekürzt werden.

$\displaystyle \frac{\partial\Omega\left(E\text{,} x\right) }{\partial x}$ $\displaystyle = -\frac{\partial}{\partial E}\left[ {\Omega\left( E\text{,} x\right) }\left<Y\right>\right]$    
  $\displaystyle = -\frac{\partial \Omega\left(E\text{,} x\right)}{\partial E}\le...
...ht> - \Omega\left(E\text{,} x\right)\frac{\partial \left<Y\right>}{\partial E}$    

Wir teilen beide Seiten durch $ \Omega\left(E\text{,} x\right) $ und bekommen

$\displaystyle \frac{1}{\Omega\left(E\text{,} x\right)}\frac{\partial\Omega\lef...
...\right)}{\partial E}\left<Y\right> - \frac{\partial \left<Y\right>}{\partial E}$    

Diese Gleichung ist äquivalent zu

$\displaystyle \frac{\partial\ln\Omega\left(E\text{,} x\right) }{\partial x}=-\...
... x\right)}{\partial E}\left<Y\right>-\frac{\partial\left<Y\right>}{\partial E}$ (4.452)

Wenn $ \Omega \propto E^f$ ist, ist der erste Summand $ \frac{\partial\ln\Omega}{\partial E}\left<Y\right> \propto
\frac{f}{E}\left<Y\right>$. Den zweiten Summanden kann man abschätzen, wenn man die Ableitung $ \frac{\partial\left<Y\right>}{\partial E}$ durch die Steigung der Gerade zum Nullpunkt $ \frac{\left<Y\right>}{E}$ ersetzt. Dann ist der erste Summand auf der rechten Seite der Gleichung für grosse Systeme ($ f \ggg 1$) um den Faktor $ f$ grösser als der zweite Summand. Der zweite Summand $ \frac{\partial\left<Y\right>}{\partial E}$ kann deshalb vernachlässigt werden. Mit $ \beta(E) = \frac{\partial\Omega}{\partial E}$ und Gleichung (4.172) bekommt man

$\displaystyle \frac{\partial\ln\Omega}{\partial x}=-\frac{\partial\ln\Omega}{\partial E}\left<Y\right>=-\beta\left<Y\right> = \beta\left<X\right>$ (4.453)

Diese formale Beziehung soll nun anhand von Beispielen erläutert werden.

Wir setzen $ x=V$

$\displaystyle \frac{\partial\ln\Omega}{\partial x}=\frac{\partial\ln\Omega}{\pa...
...rac{\partial \ln U}{\partial V} = \beta\left<p\right>=\frac{\left<p\right>}{kT}$ (4.454)

da ja nach dem 1. Hauptsatz für die innere Energie gilt $ dU=\delta Q-pdV$ und damit $ \frac{\partial
U}{\partial V} = -p$. Gemittelt bekommen wir also $ \left<Y\right> = \left<\frac{\partial U}{\partial V}\right>$ und $ \left<X\right> = \left<p\right>$.

Bei mehreren externen Parametern modifiziert sich Gleichung (4.176) zu

$\displaystyle \frac{\partial\ln\Omega}{\partial x_{\alpha}}=\beta\left<X_{\alpha}\right>$    

Gleichgewicht zwischen zwei Systemen mit veränderbarem Teilvolumen

Wir betrachten ein isoliertes System $ A_{0}=A+A'$, das aus zwei Teilsystemen besteht. Das Volumen $ V$ ist vom Volumen $ V'$ durch einen beweglichen Kolben getrennt. Die Gesamtenergie sei konstant: $ E_{0}=E+E'=const$, wie auch das Gesamtvolumen $ V_{0}=V+V'=const$. Die beiden Systeme tauschen Wärme und mechanische Arbeit aus.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{hauptsatz-zwei-010}
Skizze eines gekoppelten Systems, das durch einen Kolben getrennt ist.




Wir betrachten eine infinitesimale Änderung des Zustandes mit den externen Parametern $ x_\alpha$ und verwenden Gleichung (4.176) (verallgemeinerte Kräfte)

$\displaystyle d\ln\Omega$ $\displaystyle =\frac{\partial\ln\Omega}{\partial E}d\left<E\right>+\sum\limits_...
...ha =1}^{n}\frac{\partial\ln\Omega}{\partial x_{\alpha}}d\left<x_{\alpha}\right>$    
  $\displaystyle =\beta\left( d\left<E\right>+\sum\limits_{\alpha}\left<X_{\alpha}\right>d\left<x_{\alpha}\right>\right)$ (4.455)

In unserem Falle ist $ x_\alpha = V$ und $ E=U$ die innere Energie. Somit erhalten wir mit $ \delta W = -p dV$ für unseren infinitesimalen Prozess

$\displaystyle d\ln\Omega=\beta\left( d\left<U\right> +p  dV\right)= \beta\left( d\left<U\right> -\delta W\right)=\beta\delta Q$ (4.456)

was nichts anderes als der erste Hauptsatz ist.

Wir können für infinitesimale Prozesse auch schreiben

$\displaystyle \delta Q=TdS=d\left<U\right>-\delta W$ (4.457)

Bei einem adiabatischen Prozess ist $ \delta Q=0$ und damit $ dS=0$. Somit ändert sich auch $ \Omega$ bei einem adiabatischen Prozess nicht!

Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn die Wahrscheinlichkeit

$\displaystyle p\left( E_0\right)  $    maximal    

ist.

Die Anzahl Zustände des Gesamtsystems sind

$\displaystyle \Omega_{0}\left( E_0\right)$ $\displaystyle =\Omega\left( E,V\right) \Omega' \left( E',V'\right)$    
$\displaystyle \ln\Omega_{0}$ $\displaystyle =\ln\Omega+\ln\Omega'$    

Damit ist, mit der Definition der Entropie, auch

$\displaystyle S_{0}$ $\displaystyle =S+S'$ (4.458)

Das Maximum der Wahrscheinlichkeit, der Anzahl Zustände $ \Omega$ und damit der Entropie $ S$ wird erreicht, wenn

$\displaystyle d\ln\Omega_{0}=d\left( \ln\Omega+\ln\Omega'\right) =0$ (4.459)

ist. Andererseits kann man für Änderungen der Anzahl Zustände als Funktion kleiner Änderungen $ dE$ oder $ dV$ auch schreiben

$\displaystyle d\ln\Omega$ $\displaystyle =\frac{\partial\ln\Omega}{\partial E}dE+\frac{\partial\ln\Omega }{\partial V}dV$    
  $\displaystyle =\beta dE+\beta\left<p\right>dV$ (4.460)

Analog erhält man für das zweite Teilsystem $ A'$

$\displaystyle d\ln\Omega'=\beta'dE' +\beta'\left<p'\right>dV'=-\beta' dE-\beta'\left<p'\right>dV$ (4.461)

Wir haben dabei wegen der Energieerhaltung $ dE = -dE'$ und wegen der Volumenerhaltung $ dV = -dV'$ geschrieben. Die Summe der Gleichungen 4.184 und 4.185 ergibt

$\displaystyle \left( \beta-\beta'\right) dE+\left( \beta\left<p\right>-\beta'\left<p'\right>\right) dV=0$ (4.462)

Dies muss für beliebige $ dE$ und $ dV$ gelten. Darum haben wir

$\displaystyle \beta-\beta'$ $\displaystyle =0$ $\displaystyle \Rightarrow$   $\displaystyle \beta$ $\displaystyle =\beta'$ $\displaystyle \Rightarrow$   $\displaystyle T$ $\displaystyle =T'$ (4.463)
$\displaystyle \beta\left<p\right>-\beta'\left<p'\right>$ $\displaystyle =0$ $\displaystyle \Rightarrow$   $\displaystyle \left<p\right>$ $\displaystyle =\left<p'\right>$ (4.464)

Dies sind die erwarteten Gleichgewichtsbedingungen, aber nun mit statistischen Argumenten hergeleitet.

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm