Unterabschnitte

Mischungsentropie





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{hauptsatz_drei-004}
System aus zwei Molekülsorten $ A$ und $ B$ (links) und nach Mischung.




Wir betrachten nun ein Gesamtsystem, bei dem zu Beginn zwei Molekülsorten $ A$ und $ B$ in zwei getrennten Kompartimenten mit den Volumina $ V_1$ und $ V_2$ befinden. Es gibt jeweils $ N_1$ und $ N_2$ Teilchen von der jeweiligen Sorte. Die Grösse des Gesamtvolumens $ V_1+V_2=V$ sowie die gesamte Teilchenzahl $ N_1+N_2=N$ sollen konstant sein6. Die Trennwand zwischen den beiden Kompartimenten sei beweglich, so dass sowohl die Temperatur $ T$ wie auch der Druck $ p$ konstant sind. Wir hatten früher die Mischung von identischen Teilchen betrachtet oder das Ausströmen von Teilchen ins andere Teilvolumen betrachtet. Hier versuchen wir zum ersten mal, die Eigenschaften eines Gemisches mit zwei Teilchensorten zu verstehen.

Beide Moleküle sollen ideale Gase sein. Aus der idealen Gasgleichung wissen wir, dass $ pV = NkT$ sein muss. bei gleicher Temperatur $ T$ und gleichem Druck $ p$ folgt

$\displaystyle \frac{N_1}{V_1} = \frac{N_2}{V_2}$    

Wenn sich nach der Mischung alle Moleküle vom Typ $ A$ im linken Kompartiment $ 1$ mit $ V_1$ befinden, ist die Entropie um

$\displaystyle \Delta S=N_{1}k\ln\frac{V}{V_{1}}$    

zu klein sein.

Mit

$\displaystyle \frac{V}{V_1}=\frac{V_1+V_2}{V_1} = 1+ \frac{V_2}{V_1} = 1+\frac{N_2}{N_1} = \frac{N_1+N_2}{N_1} = \frac{N}{N_1}$    

Also können wir die Entropiedifferenz auch mit den Teilchenzahlen schreiben.

$\displaystyle \Delta S=N_{1}k\ln\frac{N}{N_{1}}$ (4.476)

Die Mischungsentropie ist die Summe aus den Entropieänderungen wenn sich jeweils die Molekülsorte $ A$ in $ V_1$ und $ B$ in $ V_2$ befinden.

Mischungsentropie

$\displaystyle S_{\text{Mischung}}=S_{M}=kN_{1}\ln\frac{N_{1}+N_{2}}{N_{1}}+kN_{2}\ln\frac{N_{1}+N2}{N_{2}}$ (4.477)


Beispiel:


Wir mischen zwei Molekülsorten mit gleichen Anteilen. Sei $ N_{1}=N_{2}=N_{A}$. Beispielsweise könnten wir He und Ne mischen.

$\displaystyle S_{M}$ $\displaystyle =k\cdot N_{A}\cdot\left( \ln2+\ln2\right)$    
  $\displaystyle \approx 1.38\cdot10^{-23}\frac{J}{K}\cdot6\cdot10^{23}\cdot2\cdot0.63$    
  $\displaystyle \approx 13\frac{J}{K}$ (4.478)


Beispiel:


Silizium soll mit $ 1 ppm$ (1 part per million) verunreinigt sein. Wir wollen die Mischungsentropie für $ 1 mol$ Si berechnen

$\displaystyle N_1$ $\displaystyle = N_A \nonumber$    
$\displaystyle N_2$ $\displaystyle = 10^{-6} N_A$    

Sie ist

$\displaystyle S_{M}$ $\displaystyle =k\cdot N_{A}\left( 1\cdot\ln\frac{N_{A}\left( 1+10^{-6}\right) }...
...+10^{-6}\cdot\ln\frac{N_{A}\left( 1+10^{-6}\right) }{N_{A} \cdot10^{-6}}\right)$    
  $\displaystyle \approx k\cdot N_{A}\cdot10^{-6}\ln10^{6}$    
  $\displaystyle =k\cdot N_{A}\cdot2.3\cdot10^{-6}\cdot 6$    
  $\displaystyle \approx 1.2\cdot10^{-4}\frac{J}{K}$ (4.479)

Bestimmung von Entropiedifferenzen

Wir wenden hier die Methode nach dem dritten Hauptsatz an. Wir wollen die Differenz der Entropie einer Legierung vor und nach dem Vorgang bestimmen. Für reversible Vorgänge (immer im Gleichgewicht) gilt

$\displaystyle S_{f}-S_{i}=\underset{Gleichgewicht}{\int_{i}^{f}}\frac{\delta Q}{T}$    

Entropien sind eine Funktion der Temperatur. Wir drücken sie mit den Wärmekapazitäten $ C_y$ aus, wobei $ y$ entweder den konstanten Druck ( $ y\triangleq p$) oder das konstante Volumen ( $ y \triangleq V$) meint.

$\displaystyle S\left( T_{f}\right) -S\left( T_{i}\right) =\underset{Gleichgewic...
...{T}=\underset{Gleichgewicht}{\int_{i}^{f}} \frac{C_{y}\left( T'\right) dT'}{T'}$ (4.480)

Wenn der betrachtete Temperaturbereich genügend klein ist, ist $ C_{y}$ in guter Näherung unabhängig von $ T$. Dann können die Integrale gelöst werden

$\displaystyle S\left( T_{f}\right) -S\left( T_{i}\right) =C_{y}\ln\frac{T_{f}}{T_{i}}$ (4.481)

Wir wollen nun das praktische Beispiel berechnen, wie gross die Entropiezunahme bei der chemischen Verbindung $ PbS$ ist. Wir nehmen dazu an, dass wir für $ Pb$, $ S$ und $ PbS$ die Wärmekapazitäten $ C_{y}^{\left( Pb\right)
}\left( T\right)$, $ C_{y}^{\left( S\right) }\left( T\right)$ und $ C_{y} ^{\left( PbS\right) }\left( T\right)
$ kennen. Nach dem dritten Hauptsatz ist geht die Entropie bei $ T\rightarrow0$ zu einem festen Wert $ S_0$, unabhängig von der genauen Anfangskonfiguration und den Systemparametern. Wir können also schreiben

$\displaystyle \underset{separiert}{S^{\left( Pb+S\right) }}\left( 0\right) =S^{...
...ght) =S^{\left( Pb\right) }\left( 0\right) +S^{\left( S\right) }\left( 0\right)$ (4.482)

Mit den Entropiegleichungen für die Ausgangsmaterialien $ Pb$ und $ S$

$\displaystyle S^{\left( Pb\right) }\left( T\right)$ $\displaystyle =S^{\left( Pb\right) }\left( 0\right) +\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( Pb\right) }\left( T'\right) dT'}{T}$    
$\displaystyle S^{\left( S\right) }\left( T\right)$ $\displaystyle =S^{\left( S\right) }\left( 0\right) +\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left(S\right) }\left( T'\right) dT'}{T}$    

bekommen wir

$\displaystyle S^{\left( Pb+S\right) }\left( T\right) =S^{\left( Pb+S\right) }\l...
...t) dT'}{T'}+\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( S\right) }\left( T'\right) dT'}{T'}$ (4.483)

Die Entropiegleichung gilt natürlich auch für die Verbindung

$\displaystyle S^{\left( PbS\right) }\left( T\right) =S^{\left( PbS\right) }\left( 0\right) +\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( PbS\right) }\left( T'\right) dT'}{T'}$    

Mit Gleichung (4.206) können wir die Entropiedifferenz berechnen

$\displaystyle S^{\left( Pb+S\right) }\left( T\right) -S^{\left( PbS\right) } =$ $\displaystyle \int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( Pb\right) }\left( T'\right) dT'}{T'}+\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( S\right) }\left( T'\right) dT'}{T'}$    
  $\displaystyle -\int_{0}^{T}\frac{C_{y}^{\left( PbS\right) }\left( T'\right) dT'}{T'}$    
$\displaystyle =$ $\displaystyle \int\frac{\delta Q_{\left( PbS\rightarrow Pb+S\right) }}{T}$ (4.484)

Dabei haben wir die Beziehung $ \Delta S =\int\frac{\delta Q_{\left( PbS\rightarrow Pb+S\right) }}{T}$ zwischen Entropie und Wärmemenge verwendet.

Die Gleichung (4.208) erlaubt uns nun, die benötigte Energie zur Dissoziation $ PbS$ in $ Pb$ und $ S$ vorherzusagen. Dazu braucht man nur die Wärmekapazitätend $ C_{y}$ der beteiligten Stoffe zu kennen. Das Verfahren kann auf alle Verbindungen angewendet werden. Es zeigt, ob eine Verbindung stabil ist.

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm