Unterabschnitte

Dynamik

Die Dynamik stellt die Frage nach der Ursache der Bewegung. In diesem Abschnitt werden wir zeigen, dass Bewegung wird durch Kräfte hervorgerufen wird.

Das Prinzip vom Parallelogramm der Kräfte

auch genannt 4. Newtonsches Gesetz

Kräfte sind Vektoren





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{mechanik-015}
Reibung




Eine Kraft, die am Punkt $ P$ angreift, verhält sich wie ein ortsgebundener Vektor.

\begin{displaymath}
\left.
\begin{array}[c]{cc}
\text{Angriffspunkt} & P\\
\te...
... & \vec{e=}\frac{\vec{F}}{F}
\end{array}\right\} \text{Kraft!}
\end{displaymath}

\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Kräfteparallelogramm (Versuchskarte M-012)

Addition von Kräften

$\displaystyle \vec{F}_{total}\left( \text{in }P\right) =\sum\limits_{i}\vec{F}_{i}\left( \text{in }P\right)$ (4.207)

$ \Rightarrow$ Nur Kräfte, die an ein und demselben Punkt $ P$ angreifen können addiert werden.


Beispiel:






\includegraphics[width=0.2\textwidth]{mechanik-016}
Grafische Addition von Kräften




Die Kräfte, die im Punkt $ P$ angreifen sind im Gleichgewicht, wenn ihre Summe 0 ist.

$\displaystyle \vec{F}_{total}\left( \text{in }P\right) =\sum\limits_{i}\vec{F}_{i}\left( \text{in }P\right) =0$ (4.208)

Beispiel





\includegraphics[width=0.2\textwidth]{mechanik-017}
Kräftegleichgewicht




$\displaystyle \vec{F}_{1}+\vec{F}_{2}+\vec{F}_{3}=0$

Zerlegung von Kräften

Beispiel: Welche Kräfte wirken auf einen Kranarm?





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{mechanik-018}
Kräfte an einem Kranarm. Die Kraft $ \vec{F}_{Biegung}$ verbiegt den Arm.




\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Kran (Versuchskarte M-173)

Beispiel Pendel

\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Fadenpendel (Versuchskarte M-077)





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{mechanik-019}
Kräfte an einem Pendel. Der Faden des Pendels kann nur Kräfte entlang des Fadens aufbringen. Deshalb konstruiert man die rücktreibende Kraft, indem man die Fadenlinie durch die Masse verlängert. Dann zeichnet man eine Senkrechte auf die verlängerte Fadenlinie vom Ende der Kraft $ \vec{F}_g$. Der Schnittpunkt definiert die Fadenkraft $ \vec{F}_{Faden}$ und die rücktreibende Kraft $ \vec{F}_$rücktreibend.
Dieses Problem lässt sich viel einfacher mit einer Energiebetrachtung lösen.




Das Reaktionsprinzip

\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Reaktionsprinzip (Versuchskarte M-141)

auch genannt das 3. Newtonsches Gesetz

Übt der Körper $ 1$ die Kraft $ \vec{F}_{12}$ auf der Körper $ 2$ aus, so übt der Körper $ 2$ die Kraft $ \vec{F}_{21}$ auf den Körper $ 1$ aus.

\begin{displaymath}\begin{array}{ccc} \underbrace{\vec{F}_{12}} & = & \underbrac...
...ec{F}_{21}}   \text{actio} & & \text{reactio}   \end{array}\end{displaymath} (4.209)

Beispiel Feder





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{mechanik-020}
Kräfte an einer Feder




$\displaystyle \vec{F}_{A}=k\cdot\vec{x=-F}_{r}$

$ -\vec{F}_{r}$ ist die Reaktion der Feder auf die angelegte Kraft.

Grundgesetz der Dynamik

auch genannt 2. Newtonsches Gesetz

Eine bewegte Masse kann durch ihren Impuls charakterisiert werden.

$\displaystyle \vec{p}=m\cdot\vec{v}$ (4.210)

Einheit des Impulses: $ \frac{mkg}{s}$

Dabei ist $ m$ die träge Masse (im Gegensatz zur schweren Masse)

Das 2. Newtonsche Gesetz lautet

$\displaystyle \vec{F=}\frac{d\vec{p}}{dt}=\frac{d}{dt}\left( m\cdot\vec{v}\righ...
...ac{dm}{dt}\cdot\vec{v+m}\frac{d\vec{v}}{dt}=\frac{dm}{dt} \vec{v}+m\cdot\vec{a}$ (4.211)

Die Kraft entspricht also einer Impulsänderung.

Die Einheit der Kraft: $ 1Newton=1N=1\frac{mkg}{s^{2}}$

Bei einer Bewegung ohne äussere Kraft gilt:

$\displaystyle \vec{F=}0=\frac{d\vec{p}}{dt}\Rightarrow\vec{p}=const.$ (4.212)

Ein konstanter Impuls heisst, dass entweder die Geschwindigkeit $ v$ mit abnehmender Masse zunimmt, oder, im Spezialfall dass $ m$ konstant ist, dass die Geschwindigkeit konstant ist (Trägheitsgesetz)

$\displaystyle m=const.\Rightarrow\vec{a=}\frac{d\vec{v}}{dt}=0$ (4.213)

Wenn die Kraft null ist, also $ \dot{\vec{p}}=0$ oder $ \vec{p}=konstant$ und gleichzeitig noch $ m=konstant$ ist, wird dieses System Inertialsystem genannt. Diese Konsequenz aus dem Grundgesetz der Dynamik wird oft auch 1. Newtonsches Gesetz genannt.

Integralform des Kraftgesetzes

Für einfache Probleme sind Differentialgleichungen gut. Bei komplizierteren Problemen und bei numerischen Verfahren sind Integrale aber viel geeigneter.

Frage: ein Ball fällt auf den Boden





\includegraphics[height=0.13\textheight]{mechanik-021} \includegraphics[height=0.13\textheight]{mechanik-022}
Fallender Ball springt vom Boden hoch.




aus $ \frac{d\vec{p}}{dt}=\vec{F}$

folgt $ d\vec{p}=\vec{F}dt$

und

$\displaystyle \int\limits_{\vec{p}_{1}}^{\vec{p}_{2}}d\vec{p=}\int\limits_{t_{1...
...=\vec{p}_{2}-\vec{p}_{1}=\vec{p}\left( t_{2}\right) -\vec{p}\left( t_{1}\right)$ (4.214)

Die Grösse

$\displaystyle \vec{p}\left( t_{2}\right) -\vec{p}\left( t_{1}\right) =\int\limits_{t_{1}}^{t_{2}}\vec{F}dt$ (4.215)

heisst Kraftstoss. Der Kraftstoss kann zur Beschreibung rascher Vorgänge dienen.

Beispiel: ein Ball trifft mit der Geschwindigkeit $ v_{0}$ auf dem Boden auf. Er berührt den Boden während der Aufschlagzeit $ \tau$.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{mechanik-023}
Kraft während des Aufpralls eines Balls.




Wir nehmen an, dass während dem Aufschlag die Kraft sich wie $ F\left( t\right) =-At^{2}+F_{0}$ verhält. Aus $ F(t)=0$ kann man die halbe Kontaktzeit $ \tau$ bestimmen

$\displaystyle \frac{\tau}{2}=\sqrt{\frac{F_{0}}{A}}$ (4.216)

Also ist

$\displaystyle \Delta p$ $\displaystyle =2mv_{0}$ (4.217)
  $\displaystyle =\int\limits_{-\frac{\tau}{2}}^{\frac{\tau}{2}}\left( -At'^{2} +F_{0}\right) dt$    
  $\displaystyle =\left.-\frac{1}{3}At'^{3}+F_{0}t\right\vert _{-\frac{\tau}{2}}^{\frac{\tau}{2} }$    
  $\displaystyle =F_{0}\tau-\frac{1}{12}A\tau^{3}$    
  $\displaystyle =F_{0}\tau-\frac{4}{12}\frac{F_{0}}{\tau^{2}}\tau^{3}$    
  $\displaystyle =\frac{2}{3}F_{0}\tau$    

Wir erhalten

$\displaystyle F_{0}=\frac{3mv_{0}}{\tau}$ (4.218)

das heisst, die Kraft wird desto grösser, je kürzer die Kontaktzeit ist. Eine Anwendung ist die Knautschzone bei Autos: je länger die Kontaktzeit ist, das heisst, je mehr die Kühlerhaube deformiert werden kann, desto kleiner sind die Kräfte auf die Insassen.

Reibung

Beobachtung: jegliche Bewegung kommt zum Stillstand.





\includegraphics[width=0.4\textwidth]{mechanik-024}
Reibung




\includegraphics[height=10mm]{icon-exp} Versuch zur Vorlesung: Reibung (Versuchskarte M-170)

Die Gewichtskraft auf den Klotz ist $ F_{g}=m\cdot g$.

Die Kraft zum Starten der Bewegung ist

$\displaystyle F_{HR}=\mu_{HR}F_{g}$ (4.219)

Dabei ist $ F_{HR}$ die Haftreibungskraft und $ \mu_{HR}$ der Haftreibungskoeffizient.

Um $ m$ in gleichförmiger Bewegung zu halten brauchen wir die Kraft

$\displaystyle F_{GR}=\mu_{GR}F_{g}$ (4.220)

Hier is $ \mu_{GR}$ der Gleitreibungskoeffizient und $ F_{GR}$ die Gleitreibungskraft. Es gilt

$\displaystyle \mu_{GR}\leq\mu_{HR}$ (4.221)





\includegraphics[width=0.45\textwidth]{mechanik-025} \includegraphics[width=0.35\textwidth]{mechanik-026}
Links: Reibungsmodell nach Amontons. Rechts ein moderneres Bild.




Woher rührt diese Gleitreibung? Guillaume Amontons (1663-1705) postulierte zwei Ursachen:

Modernere Bilder beschreiben die Reibung als ein Abscheren von gestauchten Mikrokontakten. Damit können zwei Phänomene erklärt werden:

Die wahre Kontaktfläche ist immer kleiner als die scheinbare. Durch Polieren erhöht man die wahre Kontaktfläche. Erhöht man die Auflagekraft, werden die mikroskopischen Kontakte mehr zusammengedrückt. Ihre wahre Kontaktfläche ist proportional zur Auflagekraft.

$\displaystyle A_{wahr} = A_{schein}\frac{F_g}{F_0}$ (4.222)

wobei $ F_0$ eine in diesem Model nicht weiter erklärte Konstante ist.

Die Reibungskraft hängt dann mit der Scherspannung, die notwendig ist zum Lösen des Kontakts mit der Unterlage, $ \tau$ wie folgt zusammen

$\displaystyle F_{GR}$ $\displaystyle =A_{wahr}\cdot\tau$ (4.223)
  $\displaystyle = A_{schein}\frac{F_{g}}{F_{0}}\cdot\tau$    
  $\displaystyle =\frac{A_{schein}\tau}{F_{0}}\cdot F_g$    
  $\displaystyle = \mu_{GR}F_g$    

mit

$\displaystyle \mu_{GR} = \frac{A_{schein}\tau}{F_{0}}$ (4.224)

Aus der Proportionalität der wahren Kontaktfläche mit der Auflagekraft und dem Modell der Scherung folgt das Reibungsgesetz der Gleitreibung mit einem konstanten, geschwindigkeitsunabhängigen (nach Coulomb) Reibungskoeffizienten.

Die Rollreibung entsteht durch die Deformation des Rollkörpers, zum Beispiel der Räder.

Strömungsgeschwindigkeit als Beispiel für ein nichtlineares Kraftgesetz *

Aus Beobachtungen hat man das empirische Gesetz für die Strömungsgeschwindigkeit abgeleitet.

$\displaystyle F=-b\cdot v^{n}$ (4.225)

$ b$ und $ n$ sind Konstanten, $ b$ hängt von der Form des bewegten Körpers ab (Widerstandsbeiwert). Die Einheit von $ b$ ist $ N\cdot\left( \frac{s}{m}\right) ^{n}$. Das Bewegungsgesetz für einen frei fallenden Körper mit konstanter Masse lautet (die Gravitationskraft gibt es ja auch!)

$\displaystyle F=mg-bv^{n}=m\cdot a$ (4.226)

Die Endgeschwindigkeit $ v_{e}$ wird erreicht, wenn $ a=0$ ist, also

$\displaystyle mg=bv_{e}^{n}$ (4.227)

$\displaystyle v_{e}=\left( \frac{mg}{b}\right) ^{\frac{1}{n}}$ (4.228)

Meist ist $ n\approx2$.

Ein Mensch ($ 100kg$) im freien Fall hat etwa die Endgeschwindigkeit $ v_{e}=60m/s$. Sein Luftwiderstandsbeiwert (Exponent $ n=2$) ist also

$\displaystyle \Rightarrow b=\frac{100kg\cdot10\frac{m}{s^{2}}}{\left( 60\frac{m} {s}\right)
^{2}}=\frac{1000s^{2}kgm}{3600m^{2}s^{2}}=0,28\frac{kg}{m}$

Wie gross muss der Luftwiderstandsbeiwert eines Fallschirms sein, damit der Mensch überlebt?

Kräfte in beschleunigten Bezugssystemen *

Wir betrachten ein linear beschleunigtes Bezugssystem.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{mechanik-027}
Linear beschleunigtes Bezugssystem




Durch die Beschleunigung zeigt die resultierende Kraft (Schwerkraft und Trägheitskraft) schräg nach unten. Dies kann mit einem Glas Wasser (halbvoll) beobachtet werden.

Wir betrachten ein rotierendes Bezugssystem.





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{mechanik-028}
Rotierendes Bezugssystem




$ F_{C}$ ist die Corioliskraft.

Ein mitrotierender Beobachter wird die Coriolis-Kraft beobachten.

Beispiele für die Corioliskraft sind Hoch-und Tiefdruckgebiete.

Die Badewannenwirbel werden durch ein Aufschaukeln von Störungen, aber nicht durch die Corioliskraft erzeugt.

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm