Unterabschnitte

Anwendung auf das van-der-Waals-Gas

(Siehe Gerthsen, Physik [Mes06, pp. 269])

In diesem Abschnitt sollen die Eigenschaften des van-der-Waals-Gases berechnet werden.

  1. Die Teilchen im van-der-Waals-Gas haben ein Eigenvolumen. Sie sind nicht punktförmig.
  2. Zwischen den Teilchen existieren anziehende Kräfte.

Die Berechnung der Zustandsfunktion des van-der-Waals-Gases startet mit der Gleichung für den Druck des Gases auf die Wand

$\displaystyle p=\frac{1}{6}nv_{2}\cdot 2mv_{1}$ (4.557)

Diese Gleichung wurde in einem vorherigen Kapitel abgeleitet. Wir hatten dabei nicht zwischen den Geschwindigkeiten $ v_1$ und $ v_2$ unterschieden. Die beiden Geschwindigkeiten sind:
$ v_{1}$
Auftreffgeschwindigkeit der Teilchen auf die Wand
$ v_{2}$
Ausbreitungsgeschwindigkeit des Impulses

Wenn nun $ v$ die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle ist, gelten die Beziehungen

  1. $ v_{2}>v$. Da die Teilchen ein Volumen haben, springt der Impuls bei jedem Stoss um $ 2r$ weiter, wobei $ 2r$ der Durchmesser eines Moleküls ist.
  2. $ v_{1}<v$. Die gegenseitigen Anziehungskräfte der Moleküle wirken wie die Oberflächenspannung bei Flüssigkeiten. Dadurch werden die Moleküle abgebremst, bevor sie am Rande des Gases mit der Wand zusammenstossen.

Einfluss des Eigenvolumens





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{thermodynamik-001}
Bei jedem Stoss wird der Impuls um $ 2r$ weiter als die mittlere freie Weglänge $ \ell$ bewegt.




Aus der Abbildung 4.50 entnehmen wir, dass bei einer mittleren freien Weglänge $ \ell$ zwischen zwei Stössen der Impuls sich jeweils um

$\displaystyle \ell' = \ell+2r$    

weiter bewegt. Die Geschwindigkeit der Impulsausbreitung ist also

$\displaystyle v_{2}=v\frac{\ell+2r}{\ell} = v\left( 1+\frac{2r}{l}\right)$    

Andererseits ist die mittlere freie Weglänge durch

$\displaystyle \ell = \frac{1}{\sigma n} = \frac{1}{\pi (2r)^2 n} = \frac{1}{4\pi r^2 n}$    

gegeben, wobei der Durchmesser der Streuquerschnittsfläche $ 2r$ beträgt. Damit wird

$\displaystyle v_{2} = v\left( 1+8\pi r^{3}n\right)$ (4.558)

Die einzelnen Moleküle werden als Kugeln mit einem Radius $ r$ modelliert. Ihr Volumen ist dann

$\displaystyle V_{M}=4\pi\frac{r^{3}}{3}$    

Damit hängt $ v_2$ vom Molekülvolumen ab!

$\displaystyle v_{2}=v\left( 1+6V_{M}n\right)$ (4.559)

Der Impuls breitet sich nur dann mit der berechnteten Geschwindigkeit $ v_2$ aus, wenn wir zentrale lineare Stösse betrachten. Wenn wir schiefe Stösse berücksichtigen, erhalten wir

$\displaystyle v_{2}=v\left( 1+\frac{2}{3}6V_{M}n\right) = v\left( 1+4V_{M}n\right)$ (4.560)

Der Faktor $ 2/3$ stammt von der Mittelung über den ganzen Stossquerschnitt (Siehe Anhang I!) Das gemittelte Resultat aus Gleichung (I.2) ist $ \left<d\right>=\frac{4}{3}r$. Wir hatten mit $ d=2r$ gerechnet. Der Quotient aus beiden ergibt den Korrekturfaktor $ 2/3$.

Einfluss der gegenseitigen Anziehung

Wie bei der Oberflächenspannung von Flüssiggkeiten heben sich die Anziehungskräfte an der Grenzfläche zur Wand nicht auf. Es existiert eine nach innen gerichtete Kraft

$\displaystyle F =\alpha n$    

die proportional zur Teilchzenzahldichte $ n$ und einem hier nicht berechneten Faktor $ \alpha$ ist. Aus dieser Kraft resultiert die Impulsänderung $ \Delta p$

$\displaystyle \Delta p =F\cdot t=F\frac{d}{v}$ (4.561)

bei der Annäherung an die Wand, wobei $ t$ die Stosszeit und $ d$ die Distanz zur zur Wand ist. $ v$ ist die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle. Beim Auftreffen an die Wand haben die Moleküle im Mittel die Geschwindigkeit $ v_1$

$\displaystyle v_{1}=v-\frac{\Delta p}{m}=v-\frac{\alpha \;d\;n}{vm} = v\left(1-\frac{\alpha \;d\;n}{v^2m}\right)$ (4.562)

Setzen wir nun $ v_1$ und $ v_2$ in die Gleichung (4.285) ein, so erhalten wir

$\displaystyle p$ $\displaystyle = \frac{1}{6}\;n\;v_2\cdot 2m\;v_1$    
  $\displaystyle =\frac{1}{6}nv\left( 1+4V_{M}\;n\right) \cdot2m\;v\left( 1-\frac{\alpha\; d\;n}{v^{2}m}\right)$    
  $\displaystyle =\frac{1}{3}\;n\;m\;v^{2}\left( 1+4n\;V_{M}\right) -\frac{1}{3}\alpha d\;n^{2}$ (4.563)

Wir betrachten nun im Folgenden ein Mol Gas. Die Teilchenzahldichte ist dann $ n=\frac{N_{A}}{V_{mol}}$. Gleichung (4.291) wird dann

$\displaystyle p+\frac{1}{3}\frac{N_{A}^{2}\alpha\; d}{V_{mol}^{2}}$ $\displaystyle = p + \frac{1}{3}n^2 \alpha\; d$    
  $\displaystyle =\frac{1}{3}nmv^{2}\left( 1+4nV_{M}\right)$    
  $\displaystyle =\frac{nmv^{2}}{3\left( 1-4nV_{M}\right) }$ (4.564)

wobei wir die Beziehung $ 4nV_{M}= 4 N_A \frac{V_M}{V_{mol}} \ll 1$ verwendet haben. Dies impliziert, dass wir verdünnte Gase betrachten.

Die kinetische Energie eines Mols dieses Gases liefert die Beziehung

$\displaystyle \frac{1}{3}nmv^{2}=\frac{RT}{V_{mol}}$ (4.565)

Wir definieren nun die beiden Koeffizienten $ a$ (beschreibt den Binnendruck) und $ b$ (das vierfache Eigenvolumen der Moleküle, auch Kovolumen genannt.) durch

$\displaystyle \frac{a}{V_{mol}^{2}}$ $\displaystyle =\frac{1}{3}\alpha d n^{2}$ (4.566)
$\displaystyle b$ $\displaystyle =4N_{A}V_{M}$ (4.567)

Mit diesen Definitionen wird Gleichung (4.292)

$\displaystyle p+\frac{a}{V_{mol}^{2}}=\frac{RT}{V_{mol}\cdot\left( 1-\frac{b}{V_{mol} }\right) }=\frac{RT}{V_{mol}-b}$ (4.568)

Umgestellt erhalten wir die molare van-der-Waals-Gleichung

$\displaystyle \left( p+\frac{a}{V_{mol}^{2}}\right) \left( V_{mol}-b\right) =RT$ (4.569)


Beispiel:


Für $ CO_{2}$ sind die beiden Parameter $ a=0.36\frac{Nm^{4}}{mol^{2}}$ und $ b=4.3\cdot 10^{-5}\frac{m^{3}}{mol}$.





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{thermodynamik-003}
Isothermen von $ CO_2$




Das $ pV$-Diagramm eines van-der-Waals-Gases ist bei unabhängigem $ V$ eindeutig. Betrachtet man $ p$ als unabhängige Variable, ist die Funktion nicht eindeutig. Zu einem Druck kann es drei verschiedene Volumina geben.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{thermodynamik-004}
$ Vp$-Diagramm




Dies bedeutet, dass es zu einem Druck eine dichte Phase und eine verdünnte Phase gibt. Die dichtere Phase nennen wir Flüssigkeit, die verdünnte Phase Gas. Das van-der-Waals-Modell sagt also, dass es einen Phasenübergang gibt.





\includegraphics[width=0.5\textwidth]{thermodynamik-005}
Maxwellsche Konstruktion




Die Maxwellsche Konstruktion erlaubt, im Bereich der Mehrdeutigkeit den Zustand des Systems festzulegen. Komprimieren wir das System entlang der Isotherme, so wird bei $ A$ die Kurve verlassen. Das System bewegt sich entlang $ ACE$, wobei Flüssigkeit und Gas im Gleichgewicht sind. Danach folgt das System der Isotherme. Entlang der horizontalen Gerade $ ACE$ haben wir eine Koexistenz flüssig-gasförmig. Das Volumenverhältnis zwischen Flüssigkeit und Gas wird über das Hebelgesetz berechnet. Am Punkt $ X$ ist der Anteil der Flüssigkeit

$\displaystyle \frac{V_{\text{fl\uml {u}ssig}}}{V_{\text{total}}} = \frac{\overline{AX}}{\overline{AE}}$ (4.570)

Der Gasanteil ist

$\displaystyle \frac{V_{\text{Gas}}}{V_{\text{total}}} = \frac{\overline{XE}}{\overline{AE}}$ (4.571)

Die Lage der Gerade wird so festgelegt, dass die Flächen zwischen der Geraden und der Isotherme oberhalb und unterhalb gleich sind.

$\displaystyle F_{1}=F_{2}$    

Eine Fläche im $ pV$-Diagramm hat die Einheit der Energie. Die Maxwellsche Konstruktion ist also ein Rezept, wie das Energiegleichgewicht gefunden werden kann.

Gibt es keine Kondensationskeime in dem System, ist das System also absolut rein, kann keine Flüssigkeit entstehen. Die Flüssigkeit kondensiert nicht. Die Wände des Gefässes können natürlich auch als Kondensationskeime dienen. Die Zustände entlang der Isotherme bedeuten:

AB
Hier ist der Dampf übersättigt. Das System kann sich nur entlang $ AB$ bewegen, wenn Kondensationskeime fehlen. In der Nebelkammer wird dies ausgenutzt. Elektronen oder sonstige Teilchen dienen als Kondensationskeime. Die Nebelspur macht sie sichtbar.
DE
Hier haben wir eine überhitzte Flüssigkeit, die ohne Kondensationskeime nicht gasförmig werden kann. Wird Wasser in einer Mikrowelle erhitzt, so erhält man in der Regel eine überhitzte Flüssigkeit, die durch Schütteln beim Herausnehmen schlagartig verdampfen wird und so schwere Verletzungen hervorrufen kann.


Bemerkung:
Beim van-der-Waals-Gas ist bei tiefen Temperaturen

$\displaystyle p\left( 0\right) <0$    

Zur Berechnung der Lage der beiden Extremalpunkte $ D$ und $ B$ betrachten wir die Funktion

$\displaystyle p=p\left( V\right)$    

Die Extremalpunkte sind durch

$\displaystyle \left( \frac{\partial p}{\partial V_{mol}}\right) _{T} =0$    

gegeben. Setzen wir $ p$ aus Gleichung (4.297) ein, erhalten wir

$\displaystyle \frac{\partial}{\partial V_{mol}}\left( \frac{RT}{V_{mol-b}}-\fra...
...}^{2}}\right) =-\frac{RT}{\left( V_{mol}-b\right)^{2}}+\frac{2a}{V_{mol}^{3}}=0$    

Die Extremwerte sind durch

$\displaystyle V_{mol}^{3}RT=2a\left( V_{mol}-b\right) ^{2}$ (4.572)

Für hohe Temperaturen gibt es keine Maxima und Minima (Siehe Abbildung 4.51). Bei der Isotherme mit der höchsten Temperatur, bei der die ersten Extrema erscheinen, fallen das Maximum und das Minimum zusammen. Dieser Punkt heistkritischer Punkt mit dem kritischen Druck $ p_{k}$ und dem kritischen Molvolumen $ V_{mol\text{,} 
k}$. Es existiert nur eine solche Isotherme $ T_{k}$. Dann gilt

$\displaystyle \left( \frac{\partial^{2}p}{\partial V_{mol}^{2}}\right) =0=\frac {2RT}{\left( V_{mol}-b\right) ^{3}}-\frac{6a}{V_{mol}^{4}}$    

Wir erhalten

$\displaystyle 6a\left( V_{mol}-b\right) ^{3}=2RTV_{mol}^{4}$ (4.573)

Wir teilen nun Gleichung (4.301) durch Gleichung (4.300) , so erhalten wir

$\displaystyle 3\left( V_{mol}-b\right) =2V_{mol}$    

Das kritische Molvolumen

$\displaystyle V_{mol\text{,} k}=3b$ (4.574)

Setzen wir Gleichung (4.302) in Gleichung (4.300) ein, erhalten wir die kritische Temperatur

$\displaystyle 27b^{3}RT =2a\cdot4b^{2}$    

und damit

$\displaystyle T_{k}=\frac{8a}{27Rb}$ (4.575)

Schliesslich können wir den kritischen Druck berechnen.

$\displaystyle p_{k} =\frac{RT_{k}}{\left( V_{mol\text{,} k}-b\right) }-\frac{a...
...cdot2b}-\frac{a}{9b^{2}}=\left( \frac{4}{27}-\frac{1}{9}\right) \frac{a}{b^{2}}$    

Damit ist der kritische Druck

$\displaystyle p_{k}=\frac{1}{27}\frac{a}{b^{2}}$ (4.576)


Beispiel:


Mit den Werten für $ CO_2$ ( $ a=0.36\frac{Nm^{4}}{mol^{2}}$ und $ b=4.3\cdot 10^{-5}\frac{m^{3}}{mol}$) bekommen wir

$\displaystyle V_{mol\text{,} k}$ $\displaystyle = 1.29\times 10^{-4} \frac{m^{3}}{mol}$    
$\displaystyle T_{k}$ $\displaystyle = 304.9 K$    
$\displaystyle p_{k}$ $\displaystyle = 7.21\times 10^6 Pa$    





\includegraphics[width=0.7\textwidth]{thermodynamik-006}
Amagat-Diagramm oder $ pV(p)$-Diagramm. Dieses Diagramm zeigt besonders schön die Abweichung vom Verhalten des idealen Gases. Beim Idealen Gas wäre $ pV(p)=nRT$ eine von der Temperatur abhängige Gerade.




van-der-Waals-Zustandsgleichung mit reduzierten Variablen

Dieser Stoff wurde am 09. 07. 2007 behandelt

\includegraphics[height=8mm]{icon-mat} Materialien

Folien zur Vorlesung am 09. 07. 2007 PDF


Mit Hilfe des kritischen Punktes kann die van-der-Waals-Gleichung (4.297) umgeschrieben werden. Wir setzen

$\displaystyle p'$ $\displaystyle =\frac{p}{p_{k}}$    
$\displaystyle T'$ $\displaystyle =\frac{T}{T_{k}}$    
$\displaystyle V'$ $\displaystyle =\frac{V_{mol}}{V_{mol\text{,} k}}$    

und erhalten

$\displaystyle \left( p'+\frac{3}{V'^{2}}\right) \left( 3V'-1\right) =8T'$ (4.577)

Weiter können wir $ a$ und $ b$ mit den Koordinaten des kritischen Punktes ausdrücken.

$\displaystyle \frac{8}{27}\frac{a}{R b} =T_{k}=\frac{8a}{9RV_{mol\text{,} k}}=T_{k}$    

Daraus erhalten wir

$\displaystyle a$ $\displaystyle =\frac{9R}{8}V_{mol\text{,} k}\cdot T_{k}$ (4.578)
$\displaystyle b$ $\displaystyle =\frac{V_{mol\text{,} k}}{3}$ (4.579)

Schliesslich bekommen wir

$\displaystyle p_{k}$ $\displaystyle =\frac{1}{27}\left( \frac{a}{b^{2}}\right)$    
  $\displaystyle =\frac{1} {27}\frac{9R}{8}\frac{V_{mol\text{,} k}\cdot T_{k}9}{V_{mol\text{,} k}^{2}}$    
  $\displaystyle =\frac{3}{8}\frac{RT_{k}}{V_{mol\text{,} k}}$ (4.580)

Othmar Marti
Experimentelle Physik
Universiät Ulm