Fehlerfortpflanzung
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Fehlerfortpflanzung

Im allgemeinen besteht ein Resultat eines physikalischen Experimentes nicht aus einer einzelnen Messgrösse. Wir können also die oben abgeleiteten Verfahren nicht unbesehen auf beliebige experimentelle Resultate ausdehnen. Wie wirken sich also die Einzelfehler auf die Gesamtheit aus?

Als Beispiel soll die Bestimmung einer Gitterkonstanten a nach der Debye-Scherrer-Methode besprochen werden. Röntgenstrahlen mit der Wellenklänge l fallen auf eine grössere Anzahl kleiner Kristallite mit den Miller’schen Indizes h,k,l. Für den Glanzwinkel gilt:

oder

Es treten dabei die folgenden Fehler auf:

  1. Die Wellenlänge l ist nur auf bestimmt.
  2. Der Wert für die Wellenlänge stammt aus einem alten Tabellenwerk, ist also nicht mehr korrekt.
  3. Die Korrektur für die Adsorption der Probe wird vernachlässigt.
  4. Der Winkel wird n-mal gemessen: der Mittelwert sei

und der mittlere Fehler sei .

(a), (b) und (c) sind systematische Fehler. Bei (b) und (c) lassen sich Vorzeichen und Grösse des Fehlers bestimmen. Bei (a) ist der fehler für unsere Messung ein systematischer, beruht aber ursprünglich auf der Bestimmung eines zufälligen Fehlers, so dass zur Abschätzung des systematischen Fehlers verwendet werden kann.

 

Systematische Fehler

Die direkt gemessenen Grössen seien mit den systematischen Fehlern verfälscht. Gesucht ist die Grösse A, die eine Funktion der N gemessenen Werte ist. Wir haben aber die verfälschte Grösse A0 bestimmt. Für sie gilt, nach einer Taylor-Entwicklung

Da in aller Regel die Fehler klein gegen die gemessenen Werte sind, darf mit der linearen Näherung gerechnet werden.

Also ist das Fehlerfortpflanzungsgesetz für systematische Fehler

Beim Übergang zu den relativen Fehlern erhält man:

 

Rechenregeln

Summe oder Differenz: Wenn ist, dann ist
Produkte: Für ergibt sich . Einfacher ist die Gleichung mit den relativen Fehlern: .
Bei beliebigen Potenzen gilt für : (Dies erhält man mit der logarithmischen Ableitung)
Quotienten: Für ergibt sich:
Beim Beispiel in der Einleitung erhält man für die Auswirkung der l-Fehler: und für den Fehler der Gitterkonstante oder

. Daraus schliesst man, dass bei 90° (Rückstreuung) der Fehler minimal ist. Hier ist ein Beispiel, das zeigt, dass mit einer geschikten Wahl der experimentellen Anordnung der Messfehler minimal wird.

Statistische Fehler

Unabhängigkeit von der Reihenfolge der Auswertung

Wir nehmen wieder an, dass die gesuchte Grösse A aus den direkt gemessenen Grössen bestimmt sei. Diese sind mit zufälligen Fehlern behaftet. Wenn ak n-mal gemessen wurde, so bezeichnen wir die j-te Messung der k-ten Grösse mit akj. Der Mittelwert von ak ist

und die Varianz

es gibt nun zwei Wege, wie wir von den gemessenen Grössen auf das Endresultat kommen können. Sind die beiden Wege äquivalent?

Wir können zuerst jede einzelne Messung mitteln, und dann in unsere Funktion für das Endresultat einsetzen.

Wir können auch jeweils die j-te Wiederholung der Messung einsetzen und dann mitteln.

Nun lässt sich der Wert von Aj durch eine Taylorentwicklung angeben.

Wenn die Abweichungen von den Mittelwerten klein sind gegen die Mittelwerte, haben wir

Wenn wir nun im 2. Glied die Reihenfolge der Summation vertauschen, dann ist der gemittelten Messwerte ak bekannt seien. Die Varianzen sind, nach der allgemeinen Definition,

Wenn die Messungen der ak voneinander statistisch unabhängig sind, dann summieren sich alle Kreuzprodukte zu 0. Also ist das Gauss’sche Fehlerfortpflanzungsgesetz

Teilen wir beide Seiten mit n, erhält man das Fehlerfortpflanzungsgesetz für die mittleren Fehler der Mittelwerte, die in der Praxis am meisten angewandte Form.

 

Statistische Unabhängigkeit

Wenn die Messwerte ak statistisch unabhängig sind, dann treten in positive und negative Zeichen mit gleicher Häufigkeit auf. Wenn diese Summe null ist, nennt man die beiden Messgrössen ak und am statistisch unabhängig. Dies wird mit dem Begriff der Kovarianz beschrieben

wobei der Operator E den Erwartungswert berechnet. Wieder gilt, dass wenn die Grössen x und y voneinander statistisch unabhängig sind, dass die Produkte in der Summe für den Erwartungswert mit gleicher Häufigkeit und beide Vorzeichen annehmen.

Wenn wir eine vollständige Korrelation haben, also, dann gilt

Die Kovarianz geht also im Falle einer vollständigen Korrelation in die Varianz über.

 

Das Gauss’sche Fehlerfortpflanzungsgesetz darf nicht angewandt werden, wenn Korrelationen existieren (angezeigt durch die Kovarianz)

Physikalische Korrelationen: zum Beispiel wenn gleichzeitig strom und Spannung gemessen werden.
Algebraische Korrelationen: Die Physikalischen Grundkonstanten sind korreliert. Man muss in diesem Falle die Fehlermatrix berechnen (Siehe Gränicher)

 

Angabe von zufälligen Fehlern

Da nach dem Gauss’schen Fehlerfortpflanzungsgesetz positive und negative Fehler gleich häufig vorkommen, muss der Fehler wie folgt angegeben werden:

Es gelten die folgenden Rechenregeln:

Summen und Differenzen: Mit ist
Lineare Funktionen ergibt
Produkte werden mit den relativen Fehlern berechnet. Aus erhält man für die Fehlerquadrate
Für das Braggsche Gesetz ergibt sich zu
Bei zusammengesetzten ausdrücken kann man zuerst Teilvarianzen berechnen.

 

Maximaler Fehler

Will man nicht so viel rechnen, dann verwendet man die zu der Fehlerfortpflanzung bei systematischen Fehlern verwendete Funktion, bildet aber von jedem Summanden den Betrag.

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(c) Experimentelle Physik, Universität Ulm Freitag, 4. Juli 2003
V.i.S.d.P.: Othmar Marti, Experimentelle Physik, Universität Ulm
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