Mit Rauschen bezeichnet man die durch stochastische Prozesse bedingte Schwankung einer Grösse. Rauschen tritt nicht nur in der Elektronik auf, sondern in allen Vielteilchensystemen. So ist, zum Beispiel, die Brownsche Bewegung ein Rauschprozess. In der Elektronik betrachtet man den Transport von Strom, also einen Fluss einzelner Elektronen. Da diese, wie alle anderen Vielteilchensysteme den Gesetzen der statistischen Physik gehorchen müssen, tritt Rauschen auf. Man unterscheidet viele verschiedene Arten von Rauschen wie das Widerstandsrauschen oder das Schrotrauschen. In diesem Abschnitt soll zuerst das Widerstandsrauschen nach dem Buch von Reif[Rei65] abgeleitet werden, es folgen dann andere relevante Rauschprozesse.
Wir betrachten einen elektrischen Widerstand R, der an den Eingang eines idealen Verstärkers angeschlossen sei, der zwischen ω1 und ω2 eine konstante Verstärkung habe. Ausserhalb dieses Durchlassbandes sei die Verstärkung 0.
Die Elektronen im Widerstand ändern ihre Position und Geschwindigkeit durch zufällige thermische Fluktuationen. Also existiert ein fluktuierender Strom I(t) und als Konsequenz auch eine fluktuierende EMF U(t). Wenn wir die Fouriertransformation von V (t) kennen, können wir nach Gleichung (2.17) die Varianz der EMF schreiben (Der Mittelwert der EMF ist null, da wir keine treibende Potentialdifferenz annehmen)
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Wie im Abschnitt 2.4.2.0.1 gezeigt, ist J+ das
Leistungsspektrum der EMF U(t). Reif [Rei65] zeigt
im Abschnitt 15.8 mit der Langevin-Funktion, dass an
einem Widerstand (analog zur Brownschen Bewegung)
gilt
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Diese Gleichung kann mit den Gleichungen (2.19) und (2.17) umgeschrieben werden (die Korrelationsfunktion ist unabhängig von t, und ejωs = 1 wenn ω = 0)
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Die Korrelationszeit τ∗ der Fluktuationen ist von der
Grössenordnung der Zeit zwischen zwei Stössen eines
Elektrons mit dem Gitter. Also ist K(s) = 0 = 0
für alle
»τ∗. Die Korrelationsfunktion ist in der Nähe von
0 konzentriert. Also ist im Bereich der nichtverschwindenden
Korrelationsfunktion ejωs = 1 für alle ωτ∗ « 1. Für alle diese
ω-Werte hat das Integral den gleichen Wert
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Das Leistungsspektrum der fluktuierenden EMF U(t) ist also konstant. Man kann ziemlich allgemeingültig festhalten:
Kurze Korrelationszeiten bedingen breite Spektren, und umgekehrt.
Diese Aussage ist übrigens analog zum Heisenbergschen Unschärfeprinzip.
Wir erhalten damit das Leistungsspektrum der Rausch-EMF an einem Widerstand
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Die obige Gleichung ist das Nyquist-Theorem. Es ist ein Spezialfall der viel allgemeineren Verbindung zwischen Fluktuation und Dissipation. Zum Beispiel gibt es bei der Brownschen Bewegung eine ähnliche Beziehung zwischen dem Spektrum der fluktuierenden Kraft F und dem Reibungskoeffizienten α. Interessierte Leser mögen Literatur über das ¨Fluktuations-Dissipations-Theorem¨ lesen. Rauschen mit einer von der Frequenz unabhängigen spektralen Dichte heisst weisses Rauschen.
Wir wollen nun untersuchen, ob das Nyquist-Theorem
konsistent mit der Thermodynamik von Gleichgewichtszuständen
ist. Wir verwenden dazu die Schaltung aus Abbildung 2.68.
Das System sei im thermischen Gleichgewicht bei der
Temperatur T. Stromfluktuationen I(t) haben ihre Ursache in
der stochastischen EMF im Widerstand R. Wir betrachten die
Fourierkomponente U0 ejωt der EMF und verwenden die
Differentialgleichung
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Für die Frequenz ω erhält man
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Zur Berechnung der in der Induktivität gespeicherten
Energie betrachtet man den Strom I als einen Parameter
eines thermodynamischen Systems mit der freien Energie ΔF
(Siehe auch das Buch von Reif[Rei65]). Die Wahrscheinlichkeit
P dI dass der Strom in einer Schaltung im Gleichgewicht
mit der Temperatur T einen Wert zwischen I und I + dI
annimmt, ist proportional zu eΔF∕kT . ΔF ist die freie Energie
im Zustand I = 0. Die Bewegung von Elektronen, ohne dass
Ladung auf- oder abgebaut wird, ändert die Entropie S nicht.
Also ist ΔS = 0 und damit ΔF = ΔE −TΔS = ΔE.
Da Energie durch einen Strom nur in einer Induktivität
gespeichert werden kann, gilt:
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Daraus leitet man unter Verwendung elementarer Gesetze der Statistik ab
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Analog gilt auch für einen Kondensator, dass im Mittel im thermischen Gleichgewicht gilt
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Der Ausdruck für die mittlere in der Induktivität L gespeicherte Energie kann in eine Fourierreihe entwickelt werden:
Dabei haben wir die Definition des Leistungsspektrums nach Gleichung (2.29) verwendet.
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Die Gleichgewichtsbedingung (2.9) verlangt, dass unter Verwendung von (2.7) gilt:
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Umgeformt mit ω02 = 1∕LC bekommt man
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Wir nehmen an, dass L sehr gross ist, dass also der
Schwingkreis eine sehr grosse Güte hat. Dann kann man
J+ = J+
aus dem Integral herausziehen. Ebenso
ist dann ω2 −ω
02 =
≈ 2ω0
und
≈
. Mit der Abkürzung η = ω −ω0 erhalten
wir
Wir erhalten daraus das Resultat
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Da C in der Gleichung nicht explizit vorkommt, kann man damit jede Frequenz erreichen, wir haben also, auf eine andere Art und Weise das Nyquist-Theorem abgeleitet.
In einem weiteren Beispiel wird, wie in Abbildung 2.69
im thermischen Gleichgewicht ein Widerstand R mit
einer allgemeinen Impedanz Z′(ω) = R′(ω) + jX′(ω)
zusammengeschaltet. Sowohl der Widerstand R′ wie auch
der reaktive Teil X′ sollen frequenzabhängig sein. Wir
bezeichnen mit U(t) die Spannung an R und mit U′(t)
die Spannung an der Impedanz Z′. Im Gleichgewicht
muss die mittlere Leistung P′, die durch die Impedanz
Z′ wegen der Rauschspannung U(t) am Widerstand R
absorbiert wird, gleich sein der Leistung P, die durch den
Widerstand R wegen der Rauschspannung U′(t) der
Impedanz Z′ absorbiert wird. Wir betrachten weiter
ein enges Frequenzband zwischen ω und ω + dω. Das
Leistungsgleichgewicht muss für alle Frequenzbänder gelten.
Nun erzeugt die Frequenzkomponente U0(ω) in der Schaltung
den Strom I0 = Die Leistung P′ absorbiert durch Z′ ist
dann
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R′ ist der (frequenzabhängige) Realteil der Impedanz Z′. Analog zur obigen Gleichung gilt auch
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Also ist
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oder
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J+ ist das Leistungsspektrum von U(t) und J′+ dasjenige von U′(t). Also ist
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Das Rauschspektrum einer jeglichen Impedanz ist also immer mit dem Widerstandsteil dieser Impedanz verbunden. Ideale Spulen und Kondensatoren rauschen nicht. Deshalb kann man mit Hilfe parametrisch veränderter Kapazitäten sehr rauscharme Verstärker bauen.
Nyquist hatte sein Theorem aus Analogien der
Schwarzkörperstrahlung abgeleitet. Abbildung 2.70 zeigt die
von ihm verwendete Anordnung. Zwei Widerstände der
Grösse R sind über eine verlustfreie Leitung der Länge L mit
der Impedanz R verbunden. Die ganze Anordnung ist im
Gleichgewicht mit einem Wärmebad der Temperatur T.
Durch die Impedanzanpassung wird jede vom linken
Widerstand ausgehende Welle vom rechten vollständig
absorbiert und umgekehrt. Die beiden Abschlusswiderstände
sind also ein Analogon zum Schwarzen Körper. Eine
Spannungswelle U = U0ej breitet sich mit der
Geschwindigkeit c′ =
aus. Zum Abzählen der möglichen
Moden setzt man als Randbedingung U(0) = U(L). Dann ist
kL = 2πn für jede ganze Zahl n. Die Anzahl Moden
pro Einheitslänge im Frequenzintervall ω bis ω + dω ist
dann
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Jede Mode hat eine Energie
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Wir verwenden nun, dass im Gleichgewicht in jedem
Frequenzintervall ω bis ω + dω die emittierte und die
absorbierte Leistung eines Widerstandes gleich sein muss. Da
es propagierende Moden pro Einheitslänge gibt, ist die
auf einen Widerstand eintreffende Leistung
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Die emittierte Leistung ist gleich. Diese Leistung wird in
Form einer Rauschspannung U erzeugt. Deshalb muss auch
ein Strom I = fliessen. Wir müssen 2R verwenden, da der
Generator der Rauschspannung die Serieschaltung zweier
Widerstände R sieht. Also ist
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Die Leistung im Frequenzintervall ω bis ω + dω ist dann
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Wenn man nun P′i = Pi setzt, dann bekommt man
Dies ist die Gleichung für das Rauschen unter Einbezug der quantenmechanischen Korrekturen. Für die üblichen Frequenzen, auch im Mikrowellenbereich, gilt ℏω kT. Also wird aus Nyquists quantenmechanisch korrekter Formel
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Betrachtet man nun das Rauschen in einem bestimmten Frequenzband bei genügend tiefen Frequenzen, dann ist
wobei B = die Bandbreite der Detektion
ist.
Das Widerstandsrauschen ist besonders bei breitbandigen Schaltungen der limitierende Teil.
In Elektronenröhren ist die statistische Fluktuation des Emissionszeitpunktes von Elektronen aus der Kathode (Dies würde übrigens auch für Feldemissionskathoden gelten) Ursache eines Rauschens. Schottky hat für dieses Rauschen die folgende Formel angegeben:
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Ia ist hier der Anodenstrom. Wie beim thermischen Rauschen ist die Ursache die Quantisierung der Ladung. Der Schroteffekt erlaubt, über eine Messung des Rauschstromes die Elementarladung zu bestimmen.
Dieser Typ Rauschen tritt in Halbleitern auf. Der Rauschstrom, der sich aus der diskreten Natur von Elektronen und Löchern ergibt ist:
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E ist die elektrische Feldstärke im Kristall. A ist ein frequenz- und temperaturabhängiger Faktor.
Man beobachtet überall da wo Ladung transportiert wird ein Rauschspektrum, dessen Dichte sich wie
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verhält. Dieses Rauschen ist besonders bei langsamen Messungen sehr störend. Lock-In- Verstärker sind eine Möglichkeit, eine Messung aus dem mHz-Bereich, wo 1∕f-Rauschen dominant sein kann in den kHz-Bereich zu verschieben.
Filter verändern die Rauschspannung anders als die
Signalspannung (Siehe Dostal [Dos88]). Um den Effekt
zu verstehen legen wir eine Rauschspannung mit dem
Spektrum J+ an den Eingang eines Filters mit der
Übertragungsfunktion A
. Das Signalspektrum Js
wird
durch das Filter wie folgt modifiziert:
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betreibt man das obige Filter mit einer Rauschspannung, dann ist
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Bei einer konstanten Verstärkung A0 erhöht sich die Rauschspannung um den gleichen Wert A0. Bei einem Filter, das mit weissem Rauschen gespiesen ist, kann man eine Rauschbandbreite definieren. Man nimmt (siehe Abbildung 2.71) an, man hätte ein Rechteckfilter mit der Verstärkung Am und der Bandbreite ωm bis ωm + Δωm. Nach dem Durchlauf dieses Filters soll die gemessene Rauschspannung gleich wie nach dem Passieren des zu untersuchenden Tiefpassfilters sein. Wir erhalten:
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Für weisses Rauschen findet man nun
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Beim Tiefpass in Abbildung 2.71 ist die Übertragungsfunktion
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Da die Verstärkung dieses Tiefpassfilters bei der Frequenz null den Wert eins hat, setzen wir Am = 1 und erhalten
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Die Signalbandbreite des Filters ist definiert durch den
3dB-Abfall und gleich Δωs = . Die Rauschbandbreite ist
also um den Faktor
grösser.
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Bei einem kritischen Tiefpass höherer Ordnung nähert sich
die Signalbandbreite immer mehr der Rauschbandbreite. Ein
Tiefpass m-ter Ordnung hat eine Übertragungsfunktion wie
=
. Das Integral zur Bestimmung der
Rauschbandbreite hat die Rekursionslösung
Das Verhältnis von Rausch- zur Signalbandbreite ist in Tabelle 2.18 aufgelistet. Zusätzlich sind auch die Werte für ein Butterworthfilter aufgelistet. Der Leser kann sich anhand des oben beschriebenen Verfahrens die Rauschbandbreiten für andere Filter leicht selber berechnen.
Filterordnung m | ![]() | ![]() |
Kritischer Tiefpass | Butterworth-Tiefpass | |
1 | 1,571 | 1,571 |
2 | 1,220 | 1,111 |
3 | 1,155 | 1,047 |
4 | 1,129 | 1,026 |
5 | 1,114 | 1,017 |
6 | 1,105 | 1,012 |
7 | 1,098 | 1,008 |
8 | 1,094 | 1,004 |
Tabelle 2.18.: | Verhältnis der Rausch- zur Signalbandbreite für kritische Filter und Butterworth-Filter |