©2001-2015 Ulm University, Othmar Marti, PIC
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2.9  Wärmeleitung

Wärme ist Energie. Wenn Wärme transportiert wird, muss also Energie transportiert werden. Dies ist auf verschiedene Weise möglich:

Transport von Materie
Wärme wird durch Teilchen transportiert, zum Beispiel durch Elektronen oder durch Gasmoleküle.
Transport durch Schwingungen
Schwingende Atome in einem Festkörper transportieren Energie. Die transportierten Energiequanten heissen Phononen.
Transport durch Strahlung
Elektromagnetische Wellen, also Licht, transportiert Energie. Ohne diesen Energietransport von der Sonne wäre Leben auf der Erde nicht möglich.

Hier wollen wir Gleichungen für den Wärmetransport in Festkörpern angeben. Wenn die Festkörper Isolatoren sind, wird die Wärme durch Gitterschwingungen oder Phononen transportiert.

PIC

Mechanismus der Wärmeleitung in Isolatoren. Die Kopplung lässt die Schwingung ausbreiten.

Wir nehmen an, dass bei gleichen Materialien der Wärmestrom zwischen zwei Punkten umso grösser ist, je grösser der Temperaturunterschied ist. In einer Dimension bedeutet dies, dass

       ∂T
j = - λ∂z-

ist. In drei Dimensionen ersetzen wir wieder die Differentiation nach einer Koordinate durch den Gradienten. Sei T(x,y,z) die Temperaturverteilung. Dann ist die Wärmestromdichte in drei Dimensionen durch

j = - λgrad  T
(2.1)

gegeben. Gleichung (2.1) heisst Wärmeleitungsgleichung. λ ist die Wärmeleitfähigkeit. Die Einheit der Wärmeleitfähigkeit ist

       W
[λ] = -----
      Km

λ nimmt typischerweise Werte von 0.01100W
Km- an.

Die Einheit der Wärmestromdichte j ist

     W
[j] = ---
     m2

Der gesamte Wärmestrom P ist die über eine Querschnittsfläche A integrierte Wärmestromdichte j.

    ∫

P =    j·da
    A
(2.2)

2.9.1  Lineare Wärmeleitung

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Wärmeleitung durch einen Stab

Wir betrachten die Wärmeleitung durch eine Prisma mit der Länge entlang der Koordinatenachse x. Das Prisma habe einem kleinen Querschnitt A « 2. Entlang des Stabes soll keine Energie verloren gehen. Im stationären Zustand muss dann die Wärmestromdichte überall im Stab konstant sein.

j(x) = const

Die Temperatur soll sich über den Querschnitt (y- und z-Achse) nicht ändern. Deshalb muss auch gelten

∂T     ∂T
∂y- =  ∂z-=  0

Aus der Wärmeleitungsgleichung (2.1) folgt dann

       ∂T
jx = λ ---
       ∂x
(2.3)

und damit

                      x-
T (x) = T1 + (T2 - T1)ℓ
(2.4)

Die Wärmeleitung bewirkt dann die Leistung

        T  - T
P  = A λ--2----1
           ℓ
(2.5)

Analog zu der Strömung von Flüssigkeiten gibt es für Wärmeströme eine Kontinuitätsgleichung

dT           1
dt- = T˙=  - ρcdiv j
(2.6)

wobei ρ die Dichte des Materials ist (Einheit: [ρ] = -kg-
m3) und c die Wärmekapazität (Einheit: [c] = -J--
Kkg).

Die Kontinuitätsgleichung besagt, dass die innere Energie und damit die Temperatur sich nur ändern können, wenn Wärme fliesst.

Die Wärmeleitungsgleichung und die Kontinuitätsgleichung für den Wärmestrom ergeben zusammen die Gleichung

     λ                λ
T˙=  --div grad  T =  --ΔT
     ρc               ρc
(2.7)

wobei die Identität div grad  = Δ verwendet wurde.

Wenn Wärmequellen vorhanden sind, modifiziert sich die Kontinuumsgleichung zu

˙T =  1-(- div j + η)
     ρc
(2.8)

η ist die Wärmequelldichte (Einheit [η] = Wm3-). Gleichung (2.7) lautet dann

     1                 λ        η
˙T =  ρc (- div j + η) = ρcΔT +  ρc-
(2.9)

Haben wir eine stationäre Temperaturverteilung, wird diese durch = 0 charakterisiert. Daraus folgt

        η
ΔT  = - --
        λ
(2.10)

Formal ähnliche Gleichungen gibt es für das Geschwindigkeitspotential bei inkompressiblen Flüssigkeiten und in der Elektrostatik.

2.9.2  Wärmeübertrag

PIC

Wärmeübergang zwischen zwei Körpern

Die beiden Körper sollen sich an einer Kontaktfläche ganz nahe aneinander oder in Kontakt gebracht werden. Diese Kontaktfläche habe die Grösse A.

Die übertragene Wärmeleistung ist proportional zur Temperaturdifferenz.

P  = αA (T1 - T2)

Dabei ist α eine beliebige Proportionalitätszahl. Deren physikalische Bedeutung und Begründung müsste (und kann) gefunden werden. Wir werden sie hier einfach verwenden. Die Einheit ist [α ] = KWm2-.

Seien die ci die Wärmekapazitäten und mi die Massen der beiden in Kontakt gebrachten Körper 1 und 2. Wenn die Temperatur des Körpers 2 konstant ist, wenn 2 also ein Wärmereservoir oder Wärmebad ist (T2 = const, mit der Wärmekapazität c2 = ) gilt

P = -m1c11 (2.11)
und damit die Differentialgleichung
1 = - αA
-----
m1c1(T1 - T2) (2.12)

Die Temperatur des Körpers 1 mit der Masse m1 ändert sich also mit der Zeit wie

                     - t
T1 - T2 = (T10 - T2)e  τ
(2.13)

mit τ = c1αmA1-. Dieses Gesetz heisst Newtonsches Strahlungsgesetz

Wenn die Wärmeleitfähigkeit als konzentriertes Element behandelt werden kann, gelten bei komplizierten Netzwerken die Kirchhoffschen Gesetze.

2.9.3  Wärmeleitung in einem Gas

PIC

Anzahl Moleküle, die auf eine Fläche treffen. 1 bezeichnet den Ort des letzten Zusammenstosses vor dem Eintreffen auf der Fläche da.

Wir betrachten die Teilchen, nach dem letzten Zusammenstoss mit einem anderen Molekül die Fläche da durchqueren. Wir nehmen an, dass es keine Konvektion gibt und dass das Gas an den Wänden deren Temperatur hat. Weiter sei T1 > T2. Bei einer Fläche parallel zu den Platten an der Position x0 gilt dann für die kinetischen Energien der Teilchen in den zwei möglichen Richtungen

Ekin,l→r > Ekin,r→l

PIC

Anzahl Atome auf einer Kugelfläche

Zur Berechnung der Wärmeleitung benötigen wir zuerst die Anzahl Atome auf einer Kugelfläche

N  =  2πrsin-ϑrdϑ-=  1-sin ϑdϑ
         4πr2        2
(2.14)

Dabei ist 2πr sin ϑ der Umfang beim Winkel ϑ. Der Fluss durch die Fläche da in der Zeit dt ist

⟨v⟩cos ϑdt

wobei ϑ der Einfallswinkel der Teilchen zum Lot ist. Mit Teilchendichte n wird der Fluss durch die Fläche A

           1-
An ⟨v⟩ cosϑ2 sinϑd ϑ

Die freie Flugstrecke ist dann proportional zur mittleren freien Weglänge . Wir setzen T(x0) = T0. An der Stelle des letzten Zusammenstosses 1 berechnen wir die Temperatur über das erste Glied der Taylor-Reihe

         |
      dT-||
T0 -  dx ||  ℓcosϑ
         x0

Die transportierte kinetische Energie ist

   (         |        )
3         dT ||
--k  T0 - ---||  ℓcos ϑ
2         dx  x0

Insgesamt wird also

                             (         |        )
      1-                  3-        dT-||
dE =  2An  ⟨v⟩cos ϑsinϑd ϑ2 k  T0 - dx ||  ℓcos ϑ  dt
                                        x0

transportiert. Daraus können wir die Leistung des Wärmetransportes berechnen, indem wir über die Halbkugel integrieren

P = dE-
 dt
= 1-
2An⟨v⟩3-
2k(|   π∫∕2                  |    π∫∕2             )|
{                     dT-||              2    }
|(T0    sin ϑ cosϑdϑ -  dx ||  ℓ   sinϑ cos ϑd ϑ|)
    0                     x0  0 (2.15)

Die beiden Teilintegrale ergeben

0π∕2 sin ϑ cos ϑdϑ = 1
2-
0π∕2 sin ϑ cos 2ϑdϑ = 1
--
3

Also ist

                 (             |  )
       3-          1-    1- dT-||
Pl→r = 4 n⟨v⟩ kA   2T0 - 3  dx || ℓ
                               x0
(2.16)

und in der umgekehrten Richtung

       3         ( 1     1  dT ||  )
Pr→l = --n⟨v⟩ kA   -T0 + -- ---|| ℓ
       4           2     3  dx |x0
(2.17)

In der Summe ist die Wärmeleistung

                                     |
dQ-                    1-         dT-||
 dt = Pl→r -  Pr→l = - 2n ⟨v⟩kA ℓ dx ||
                                      x0
(2.18)

Die Wärmeleitfähigkeit wird damit

     1-
λ =  2n ⟨v⟩k ℓ
(2.19)

Nun ist

ℓ = ---1-√---
    πd2n   2

die mittlere freie Weglänge und

      ( 8kt) 12
⟨v⟩ =  ----
       πm

die mittlere Geschwindigkeit aus der Maxwell-Boltzmann-Verteilung. Damit bekommen wir

         (     )1                   (    ) 1
     1-    8kT- 2   ---1-----  --k-  kT--  2
λ =  2nk   πm     · πd2n √2--= πd2   πm
(2.20)

unabhängig von n und proportional zu ∘ --
  T-
  m.

Wenn » L ist, bewegen sich die Moleküle von einer Wand zu der anderen Wand, ohne dass sie sich untereinander stossen. Alle Moleküle, die von der Wand 1 streuen, haben eine Geschwindigkeitsverteilung, die der Temperatur T1 entspricht. Alle Moleküle, die von der Wand 2 streuen, haben eine Geschwindigkeitsverteilung, die der Temperatur T2 entspricht. Das Gas hat somit keine thermische Verteilung und insbesondere keinen Temperaturgradienten.

Die Wärmeleiteigenschaften von verdünnten Gasen werden zum Beispiel in Thermosflaschen oder Pirani-Vakuummessröhren verwendet.



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