©2001-2015 Ulm University, Othmar Marti, PIC
[Nächste Seite] [Vorherige Seite] [vorheriges Seitenende] [Seitenende] [Ebene nach oben] [PDF-Datei][Epub-Datei][Andere Skripte]

2.23  Aggregatszustände

Aus der Gleichung für das van der Waals-Gas folgt, dass es einen Koexistenzbereich von Flüssigkeit und Gas gibt.


„Gas“ und „Flüssigkeit“ heissen Phasen.

Wenn die Moleküle sich wie ein Gas verhalten, ist dies der gasförmige Aggregatszustand. Die van der Waals-Gleichung gibt eine makroskopische Erklärung der Phasen. Wie könnte eine mikroskopische Erklärung aussehen?

PIC

Oberflächenspannung und potentielle Energie

Die Oberflächenspannung bewirkt eine von der Oberfläche nach innen gerichtete Kraft, die dann zu einer potentiellen Energie führt

           s∫1
ΔE    =  -   F (s)·ds
   pot
           s0

Welche Moleküle haben genügend Energie W zum Verlassen der Flüssigkeit? Um diese Frage zu beantworten, muss die Energieverteilung der Moleküle in der Flüssigkeit betrachtet werden. Die hohen Energien sind auf jeden Fall Boltzmann-verteilt.

p   = be-kET
 D
(2.1)

Diese Gleichung beschreibt den Dampfdruck pD. W ist die Verdampfungsenergie pro Molekül.

PIC

Zustandsdiagramm von Wasser

In diesem Diagramm gibt es zwei ausgezeichnete Temperaturen, den kritischen Punkt mit der kritischen Temperatur Tk und den Tripelpunkt mit der Temperatur TTr.

Bemerkung:

Die Existenz des kritischen Punktes kann verwendet werden, um fragile Objekte durch Umrunden von Tk aus der Flüssigkeit zu entfernt. Auf diese Weise wird Flüssigkeit zu Gas, ohne zu verdampfen.

2.23.1  Verdampfungsenergie und Steigung der Dampfdruckkurve

Um die Steigung der Dampfdruckkurve zu verstehen, betrachten wir eine Carnot-Maschine, di mit einer verdampfenden (oder kondensierenden ) Flüssigkeit arbeitet.

PIC PIC

Carnot-Prozess mit verdampfender Flüssigkeit

Der Prozess läuft folgendermassen ab

1 2 Die Flüssigkeit verdampft isobar und isotherm
2 3 Der Dampf expandiert adiabatisch
3 4 Der Dampf kondensiert isobar und isotherm
4 1 Die Flüssigkeit wird erwärmt

Wenn dT genügend klein ist sind die Prozesse 1 4 und 2 3 isochor.

Diese Carnot-Maschine leistet die mechanische Arbeit

ΔW34 = p(VD  - VF l)
ΔW12 = -(p + dp) (V  - V  )
  D     fl
ΔW = -dp(VD  - Vfl) (2.2)

Der Wirkungsgrad wird damit

η = - ΔW
-------
 ΔQ = vD - vfl
--------
   λdp
= (T-+-dT-) --T-
  (T + dT ) dT-
 T (2.3)

Hier ist λ die spezifische Verdampfungsenergie (Energie pro Masse). Ebenso sind vD = V D∕mD und vfl = V fl∕mfl die spezifischen Volumina. Der Wirkungsgrad dieser Carnot-Maschine aus Gleichung (2.3) ist der gleiche wie für die klassischen Carnot-Prozesse. Durch Umstellen von Gleichung (2.3) erhalten wir die Clausius-Clapeyron-Gleichung.


Die Clausius-Clapeyron-Gleichung gibt die spezifische Verdampfungswärme an.
λ =  ∂p-·T  (vD - vfl)
     ∂T
(2.4)


Die Einheit der spezifischen Verdampfungswärme ist

[λ ] = J--
      kg

2.23.2  Arrhenius-Darstellung

Wir möchten den Dampfdruck pD als Funktion der Temperatur berechnen. Wir betrachten den Fall, dass das spezifische Volumen der Flüssigkeitviel kleiner als das spezifische Volumen des Gases ist, also vfl « vGas = vD. Diese Ungleichung ist meistens sehr gut erfüllt (bei Wasser ist vGas = 1244vfl. Dann kann in der Clausius-Clapeyron-Gleichung (2.4) vD - vfl vD gesetzt werden. Wir schreiben für die ideale Gasgleichung

pV  = pmv    = νRT
          D

Mit der Molmasse M = m∕ν bekommen wir

pM vD =  RT

und, umgestellt,

vD =  RT--
      M p

Eingesetzt in die Clausius-Clapeyron-Gleichung (2.4) erhalten wir

                              2
    ∂p-         -dp RT--   RT---dp
λ ≈ ∂T T vD =  TdT  M p =  pM  dT
(2.5)

Wir separieren T und p und erhalten

dp    λM
---= -----dT
p    RT  2
(2.6)

Nach Ausführen der Integration findet man

        λM
ln p = - RT--
(2.7)

oder

p = p e- λRMT-
      0
(2.8)

Der Druck hängt also exponentiell von der inversen Temperatur ab. Eine Darstellung von ln pD gegen 1∕T ermöglicht die Bestimmung der Steigung -λM∕R und damit der spezifischen Verdampfungswärme λ. Abbildung 2.23.2 zeigt einige Dampfdruckkurven in der Arrhenius-Darstellung.

PIC

Arrhenius-Darstellung des Dampfdrucks verschiedener Substanzen (nach [WA80, D-195]

2.23.3  Koexistenz von Festkörper und Flüssigkeit

Der Übergang vom Festkörper zur Flüssigkeit heisst Schmelzen. Der umgekehrte Vorgang wird Erstarren oder, bei Wasser, Gefrieren, genannt.

Für die Schmelzwärme gilt eine zur Clausius-Clapeyron-Gleichung analoge Gleichung

 ′     dp-
λ =  T dT (vfl - vfest)
(2.9)

Die Einheit der spezifischen Schmelzwärme λist

  ′    J--
[λ ] = kg

Wenn vfest < vfl ist, dann ist λ> 0. Dies bedeutet, dass unter Druck die Materie bevorzugt in der festen Phase ist. Bei Wasser ist die Situation umgekehrt (vfest > vfl). Damit schmilzt Eis bei hohem Druck. Durch diesen Effekt werden Gletscher und Schlittschuhe geschmiert.

2.23.4  Phasenregel von Gibbs

Wir betrachten ein System mit einer Teilchensorte (eine Komponente). Für dieses System finden wir die folgende Anzahl von Freiheitsgraden:

1 Phase 2 Freiheitsgrade p(T, V )
2 Phasen Schmelz-(Dampf-)druckkurve 1 Freiheitsgrad p(T ) V (T )
3 Phasen 0 Freiheitsgrade pTp, TTp, V Tp

Je mehr Phasen wir also haben, desto bestimmter ist das System. Bei einer Komponente und drei Phasen gibt es keine Freiheitsgrade mehr. Die Gibbsche Phasenregel gibt eine Beziehung für die Anzahl Freiheitsgrade f, wenn das System aus k Komponenten mit p Phasen besteht.


Die Gibbsche Phasenregel lautet
f =  k + 2 - p

wobei k die Anzahl Stoffe, p die Anzahl Phasen und f die Anzahl Freiheitsgrade sind.


Aus der Gibbschen Phasenregel folgt, dass der Tripelpunkt von Wasser eindeutig definiert ist.


Die Kelvin-Skala ist durch den Tripelpunkt von Wasser TTpH20 = 273.16K definiert.



[Nächste Seite] [Vorherige Seite] [vorheriges Seitenende] [Seitenanfang] [Ebene nach oben]
©2001-2015 Ulm University, Othmar Marti, PIC  Lizenzinformationen