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2.27  Mischungen

Wir betrachten Mischungen bei konstantem Druck. Zwei Stoffe mit den Teilchenzahlen N1 und N2 sollen gemischt werden, wobei die beiden Stoffe nicht reagieren sollen. Es gilt also

N1  + N2 =  N

Wir definieren die Molenbrüche

x1 = N1-
 N
x2 = N2
-N- (2.1)
Dabei ist x1 + x2 = 1.

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Freie Enthalpie G als Funktion der Temperatur bei Mischungen

Abbildung 2.27 zeigt den Verlauf der freien Enthalpie für mehrere Temperaturen. Im Gleichgewicht ist G minimal. In unserer Abbildung bedeutet dies, dass die Minima die bevorzugten Zustände sind. Zur Bestimmung des Gleichgewichtes sind die folgenden Bedingungen notwendig und hinreichend:

( ∂G  )
  ----
  ∂x1T = 0 ( ∂2G )
  ---2
  ∂x 1 > 0 Minimum (2.2)
(     )
  ∂G
  ----
  ∂x1T = 0 (     )
  ∂2G
  ---2
  ∂x 1 < 0 Maximum (2.3)

Damit wir eine stabile Gleichgewichtslage haben, muss offensichtlich

(  2  )
  ∂-G-  >  0
  ∂x21

sein.

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Stabilitätsbedingung für die freie Enthalpie

Abbildung 2.27 zeigt die Bereiche, in denen (∂2G )
  ∂x21 > 0 gilt. Mischungen sind nur in diesen Bereichen stabil. Ausserhalb trennen sie sich in zwei (oder mehrere) Phasen auf. Man nennt den Vorgang Entmischung.

PIC PIC

Stabile, metastabile und instabile Bereiche. Rechts ist die Mischungslücke gezeigt.

Abbildung 2.27 zeigt, dass es zwischen den instabilen und den Stabilen Bereichen noch metastabile Bereiche sind. Metastabile Bereiche sind Bereiche, die bei sehr kleinen Störungen stabil, bei grösseren Störungen jedoch instabil sind. Bei einer Umgebungsbedingung ist G fix. Die horizontale Gerade zeigt für ein G, wie sich das System als Funktion von x = x1 positioniert. Die Punkte mit zeigen zwei koexistierende stabile Phasen. Der Punkt mit zeigt eine instabile Phase.

2.27.1  Hebelgesetz

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Hebelgesetz für Phasendiagramme

Wenn wie in Abbildung 2.27.1 zwei Phasen bei 1 und 2 koexistieren und das System eine Mischung mit x0 = x = a darstellt, kann mit dem Hebelgesetz die Zusammensetzung bestimmt werden.

In diesem Beispiel wollen wir annehmen, dass wir eine Mischung aus der Flüssigphase und der Gasphase haben. Die Konzentration der Gasphase sei xG, die der Flüssigphase xfl. Vom Stoff 1 gibt es N·x0 Moleküle, vom Stoff 2 N(1 - x0). Insgesamt seien NG Moleküle in der Gaspahse, von beiden Komponenten eine noch unbekannte Anzahl. Ebenso seinen insgesamt Nfl Moleküle in der Flüssigphase. Die Summe aller Moleküle ist konstant, also

N  = NG  + Nfl = N x0 + N (1 - x0)

Gasphase Flüssigphase



Stoff 1 xG·NG xfl·NFl
Stoff 2 (1 - xG ) NG (1 - xfl) ·NFl

Die Gesamtmenge aller Stoffe ist erhalten (Stofferhaltung). Dies führt zu

xGNG + xfl·NFl = x0N
NG + NFl = N (2.4)
Weiter können wir umformen
xGNG + xGNFl = xG·N
(x  - x  )
  fl    G NFl = (x  - x  )
  0    G N
NFl = -x0 --xG-
xfl - xGN
NG =  xfl - x0
---------
xfl - xGN (2.5)
Gleichung (2.5) heisst das Hebelgesetz. Es zeigt, wie die Konzentrationen von zwei Phasen im Gleichgewicht ausgerechnet werden können. In der Nähe von 2 gibt es fast nur die Flüssigphase, in der Nähe von 1 fast nur die Gasphase.

2.27.2  Kategorisierung von Diagrammen

2.27.2.1. Zwei Komponenten, beliebig mischbar, füssige und gasförmige Phasen, geschlossenes Gefäss

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Phasendiagramm für beliebig mischbare Substanzen

Abbildung 2.27.2.1 zeigt das Phasendiagramm der flüssigen und gasförmigen Phase zweier Substanzen, die beliebig mischbar sind. Die untere Phasenlinie heisst Siedekurve (Bei Annäherung von tiefen Temperaturen beginnt bei Erreichen der Kurve das Sieden), die obere Kondensationskurve (Bei Annäherung von hohen Temperaturen beginnt bei Erreichen der Kurve die Kondensation). Beim Erwärmen über die „Siedetemperatur“ geschieht folgendes:

  1. Die Ursprungskonzentration ändert sich auf der senkrechten Linie von A nach B nicht.
  2. Bei B beginnt die Mischung zu sieden. Sie teilt sich in die Gasphase (bei C) und die Flüssigphase (bei B) auf.
  3. Flüssige und gasförmige Phase koexistieren zwischen B und D. Ihre Anteile werden durch das Hebelgesetz gegeben.
  4. Die flüssige Phase bewegt sich auf der Linie BE, die gasförmige Phase auf der Linie CD.
  5. Wenn die Gasphase D erreicht, ist alle Flüssigkeit verdampft.

Bemerkung:

Wird das Verdampfungsexperiment mit einem offenen Gefäss durchgeführt, reduziert sich die Konzentration der Gasphase durch Diffusion. Deshalb verschwindet die Flüssigphase erst bei G.

2.27.2.2. Zwei Komponenten, beliebig mischbar, Punkt gleicher Konzentration

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Mischung mit azeotropem Punkt

Abbildung 2.27.2.2 zeigt das Phasendiagramm beliebig mischbarer Flüssigkeiten mit einem azeotropen Punkt xa. Bei xa ist die Siedetemperatur maximal. Eine Mischung mit dem Mischungsverhältnis xa heisst azeotrop. Der Siedevorgang kann sowohl bei reinen Phasen wie auch in xa enden.

Bemerkung:

Das Wasser-Alkohol-Gemisch ist azeotrop. Bei 96 % Alkohol ist die Siedetemperatur maximal. Deshalb kann man die Alkoholkonzentratin beim Destilieren nicht über diese Grenze erhöhen.

2.27.2.3. Zwei Komponenten, kritischer Punkt

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Rückläufige Kondensation

Wenn bei dem Phasendiagramm aus Abbildung 2.27.2.3 eine Flüssigkeit entlang des schwarzen Weges erwärmt wird, beginnt sie bei B zu sieden. Der Anteil der Gasphase und der Flüssigkeit wird mit dem Hebelgesetz gegeben. Nach Einsetzen des Sieden nimmt das Gasvolumen zuerst zu, dann (über dem Punkt D) wieder ab. Bei C ist die Flüssigkeit wieder homogen (rückläufige Kondensation).

2.27.2.4. Zwei Komponenten, kritischer Punkt, Mischungslücke

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Binäre Mischung mit einer Mischungslücke

Substanzen mit einem Phasendiagramm wie in Abbildung 2.27.2.4 haben eine Mischungslücke. Wenn die Temperatur über der kritischen Temperatur Tk liegt, sind die beiden Substanzen in jedem Verhältnis mischbar. Unter Tk sind nur die Mischverhältnisse links und rechts der Mischungslücke realisierbar.

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Entmischung an der Mischungslücke

Wenn die Substanz in der Abbildung 2.27.2.4 abgekühlt wird, trifft sie bei a auf die Phasengrenze der Mischungslücke. Nach dem Hebelgesetz spaltet sie sich in zwei Substanzen mit unterschiedlicher Konzentration auf (a und b). Die eine Substanz kühlt entlang der Linie ac, die andere entlang der Linie bd.

Neben der in Abbildung 2.27.2.4 gezeigten Mischungslücke sind (mindestens) zwei weitere Arten möglich.

PIC PIC

Links: Mischungslücke bei hohen Temperaturen, Rechts Mischungslücke in einem begrenzten Temperaturbereich (Bsp: Nikotin).

2.27.2.5. Beliebige Mischbarkeit in der Flüssigkeit, bedingte Mischbarkeit der Festkörper

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Phasendiagramm mit einem eutektischen Punkt

B
ist ein eutektischer Punkt. Dies ist ein Tripelpunkt, bei dem eine flüssige und zwei feste Phasen sich im Gleichgewicht befinden.

PIC PIC

Wege durch die Phasendiagramme

Abbildung 2.27.2.5 zeigt zwei Wege durch das Phasendiagramm. Wir betrachten das linke Diagramm. Wird die Mischung mit dem Mischungsverhältnis 1 abgekühlt, trifft sie bei a auf die Phasengrenze. Die flüssige Mischung trennt sich in zwei Komponenten auf. Auf dem linken Ast ac wird die flüssige Komponente mit abnehmendem x abgekühlt, Auf dem rechten Ast bd wird die feste Komponente abgekühlt. Der Anteil der beiden Phasen ergibt sich durch das Hebelgesetz. Bei d hat die feste Phase die gleiche Zusammensetzung wie die Flüssigkeit am Anfang. Die Flüssige Phase verschwindet deshalb bei c. Das Weitere Abkühlen lässt die nun feste Phase bei e wieder auf eine Phasengrenze treffen. Auch wenn die Mischung fest ist, heisst das nicht, dass Atome sich nicht bewegen können. Lokal, in kleinen Bereichen, ergibt sich eine Phasentrennung. Die beiden Phasen bewegen sich entlang der Linien fF sowie eG. Wieder wird der Anteil der beiden Phasen durch das Hebelgesetz gegeben.

Im rechten Diagramm in der Abbildung 2.27.2.5 betrachten wir ein anderes Mischungsverhältnis 2 mit kleinerem x. Die Mischung wird abgekühlt und trifft bei b auf eine Phasengrenze. Sie teilt sich in einen festen Anteil bei a und einen flüssigen Anteil bei a auf. Die flüssige Phase kühlt sich weiter ab und trifft bei B auf den eutektischen Punkt. Die linke Phase ist hat sich dabei entlang bD abgekühlt. Die Anteile ergeben sich aus dem Hebelgesetz. Am eutektischen Punkt erstarrt die Flüssigkeit schlagartig. Es gibt keine Entmischung und das Eutektikum bleibt auch bei tieferen Temperaturen erhalten. Die Feste Phase bei D wird weiter abgekühlt nach F. Lokal tritt Phasentrennung auf zu der Phase entlang der Linie EG. Die Anteile dieser Phasen müssen wieder mit dem Hebelgesetz berechnet werden.

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Alternative Lage der Grenzlinien (Vergleich zu Abbildung 2.27.2.5)

Hier ist

B
ein Tripelpunkt, der eine flüssige und 2 feste Phasen trennt.

Bemerkung:
B kann in der Temperatur nicht höher liegen als A oder C.

2.27.2.6. keine Mischbarkeit im festen Zustand

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Phasendiagramm mit unmischbarer fester Phase

2.27.2.7. Beliebige Mischbarkeit in flüssigem Zustand, keine Mischbarkeit im festen Zustand, aber chem. Verbindung

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Phasendiagramm mit chemischer Verbindung

Bei diesem Diagramm sollen zwei Substanzen im flüssigen Zustand beliebig mischbar sein. Im festen Zustand sind sie nicht mischbar, gehen aber eine chemische Verbindung ein.

B,G
sind Tripelpunkte (flüssig, fest rein, fest (chem. Verbindung)
DBE
ist das Gebiet mit einem Gleichgewicht zwischen der chemischen Phase und der flüssigen Phase
ABC
ist das Gleichgewichtsgebiet zwischen einer reinen Phase und einer flüssigen Phase
unter CBE
liegt das Gleichgewichtsgebiet zwischen reiner Phase und der chemischen Verbindung.

2.27.2.8. Keine Mischbarkeit im festen Zustand, Mischungslücke in Flüssigkeit

PIC

Phasendiagramm mit 2 Tripelpunkten

Dieses Diagramm hat zwei Tripelpunkte

B
Bei B treffen sich zwei feste und eine flüssige Phase.
D
Hier treffen sich zwei flüssige und eine feste Phase.



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