©2001-2015 Ulm University, Othmar Marti, PIC
[Nächste Seite] [Vorherige Seite] [vorheriges Seitenende] [Seitenende] [Ebene nach oben] [PDF-Datei][Epub-Datei][Andere Skripte]

2.21  Anwendung auf das van-der-Waals-Gas

(Siehe Gerthsen, Physik [Mes06, pp. 269])

In diesem Abschnitt sollen die Eigenschaften des van-der-Waals-Gases berechnet werden.

  1. Die Teilchen im van-der-Waals-Gas haben ein Eigenvolumen. Sie sind nicht punktförmig.
  2. Zwischen den Teilchen existieren anziehende Kräfte.

Die Berechnung der Zustandsfunktion des van-der-Waals-Gases startet mit der Gleichung für den Druck des Gases auf die Wand

p = 1-nv ·2mv
    6   2      1
(2.1)

Diese Gleichung wurde in einem vorherigen Kapitel abgeleitet. Wir hatten dabei nicht zwischen den Geschwindigkeiten v1 und v2 unterschieden. Die beiden Geschwindigkeiten sind:

v1
Auftreffgeschwindigkeit der Teilchen auf die Wand
v2
Ausbreitungsgeschwindigkeit des Impulses

Wenn nun v die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle ist, gelten die Beziehungen

  1. v2 > v. Da die Teilchen ein Volumen haben, springt der Impuls bei jedem Stoss um 2r weiter, wobei 2r der Durchmesser eines Moleküls ist.
  2. v1 < v. Die gegenseitigen Anziehungskräfte der Moleküle wirken wie die Oberflächenspannung bei Flüssigkeiten. Dadurch werden die Moleküle abgebremst, bevor sie am Rande des Gases mit der Wand zusammenstossen.

2.21.1  Einfluss des Eigenvolumens

PIC

Bei jedem Stoss wird der Impuls um 2r weiter als die mittlere freie Weglänge bewegt.

Aus der Abbildung 2.21.1 entnehmen wir, dass bei einer mittleren freien Weglänge zwischen zwei Stössen der Impuls sich jeweils um

 ′
ℓ = ℓ + 2r

weiter bewegt. Die Geschwindigkeit der Impulsausbreitung ist also

                 (       )
v2 = vℓ +-2r = v  1 + 2r-
        ℓ              l

Andererseits ist die mittlere freie Weglänge durch

ℓ = -1- =  ---1----=  --1---
    σn     π(2r)2n    4πr2n

gegeben, wobei der Durchmesser der Streuquerschnittsfläche 2r beträgt. Damit wird

      (        3 )
v2 = v 1 + 8πr  n
(2.2)

Die einzelnen Moleküle werden als Kugeln mit einem Radius r modelliert. Ihr Volumen ist dann

         r3
VM  =  4π--
          3

Damit hängt v2 vom Molekülvolumen ab!

v2 = v(1 + 6VM n )
(2.3)

Der Impuls breitet sich nur dann mit der berechnteten Geschwindigkeit v2 aus, wenn wir zentrale lineare Stösse betrachten. Wenn wir schiefe Stösse berücksichtigen, erhalten wir

      (     2      )
v2 = v  1 + -6VM n   = v (1 + 4VM  n)
            3
(2.4)

Der Faktor 23 stammt von der Mittelung über den ganzen Stossquerschnitt (Siehe Anhang I!) Das gemittelte Resultat aus Gleichung (I.2) ist ⟨d⟩ = 43r. Wir hatten mit d = 2r gerechnet. Der Quotient aus beiden ergibt den Korrekturfaktor 23.

2.21.1.1. Einfluss der gegenseitigen Anziehung

Wie bei der Oberflächenspannung von Flüssiggkeiten heben sich die Anziehungskräfte an der Grenzfläche zur Wand nicht auf. Es existiert eine nach innen gerichtete Kraft

F  = αn

die proportional zur Teilchzenzahldichte n und einem hier nicht berechneten Faktor α ist. Aus dieser Kraft resultiert die Impulsänderung Δp

               d
Δp =  F·t  = F --
               v
(2.5)

bei der Annäherung an die Wand, wobei t die Stosszeit und d die Distanz zur zur Wand ist. v ist die mittlere Geschwindigkeit der Moleküle. Beim Auftreffen an die Wand haben die Moleküle im Mittel die Geschwindigkeit v1

         Δp        αdn      (     αdn )
v1 = v - --- = v - ---- =  v  1 - -2---
          m         vm            v m
(2.6)

Setzen wir nun v1 und v2 in die Gleichung (2.1) ein, so erhalten wir

p = 1
--
6nv2·2mv1
= 1-
6nv(1 + 4VM n) ·2mv(         )
      αdn--
 1 -  v2m
= 1
--
3nmv2(1 + 4nVM ) -1
--
3αdn2 (2.7)
Wir betrachten nun im Folgenden ein Mol Gas. Die Teilchenzahldichte ist dann n = -NA-
Vmol. Gleichung (2.7) wird dann
p + 1-
3  2
N-A-αd
 V 2mol = p + 1-
3n2αd
= 1
--
3nmv2(1 + 4nVM  )
=         2
----nmv------
3 (1 - 4nVM  ) (2.8)
wobei wir die Beziehung 4nV M = 4NAVM--
Vmol « 1 verwendet haben. Dies impliziert, dass wir verdünnte Gase betrachten.

Die kinetische Energie eines Mols dieses Gases liefert die Beziehung

1-    2   RT---
3nmv   =  Vmol
(2.9)

Wir definieren nun die beiden Koeffizienten a (beschreibt den Binnendruck) und b (das vierfache Eigenvolumen der Moleküle, auch Kovolumen genannt.) durch

  a
--2--
Vmol = 1
--
3αdn2 (2.10)
b = 4NAV M (2.11)
Mit diesen Definitionen wird Gleichung (2.8)
p + --a--=  ------R(T-------)-=  --RT----
    V 2mol   Vmol·  1 - --b-     Vmol - b
                       Vmol
(2.12)

Umgestellt erhalten wir die molare van-der-Waals-Gleichung


(         )
  p + -a--- (Vmol - b) = RT
      Vm2ol
(2.13)


Beispiel:

Für CO2 sind die beiden Parameter a = 0.36Nm4-
mol2 und b = 4.3·10-5  3
mmol.

PIC

Isothermen von CO2

Das pV -Diagramm eines van-der-Waals-Gases ist bei unabhängigem V eindeutig. Betrachtet man p als unabhängige Variable, ist die Funktion nicht eindeutig. Zu einem Druck kann es drei verschiedene Volumina geben.

PIC

V p-Diagramm

Dies bedeutet, dass es zu einem Druck eine dichte Phase und eine verdünnte Phase gibt. Die dichtere Phase nennen wir Flüssigkeit, die verdünnte Phase Gas. Das van-der-Waals-Modell sagt also, dass es einen Phasenübergang gibt.

PIC

Maxwellsche Konstruktion

Die Maxwellsche Konstruktion erlaubt, im Bereich der Mehrdeutigkeit den Zustand des Systems festzulegen. Komprimieren wir das System entlang der Isotherme, so wird bei A die Kurve verlassen. Das System bewegt sich entlang ACE, wobei Flüssigkeit und Gas im Gleichgewicht sind. Danach folgt das System der Isotherme. Entlang der horizontalen Gerade ACE haben wir eine Koexistenz flüssig-gasförmig. Das Volumenverhältnis zwischen Flüssigkeit und Gas wird über das Hebelgesetz berechnet. Am Punkt X ist der Anteil der Flüssigkeit

          ----
V flüssig    AX
------ =  ----
 Vtotal    AE
(2.14)

Der Gasanteil ist

        ----
VGas- = XE--
Vtotal   AE
(2.15)

Die Lage der Gerade wird so festgelegt, dass die Flächen zwischen der Geraden und der Isotherme oberhalb und unterhalb gleich sind.

F1 = F2

Eine Fläche im pV -Diagramm hat die Einheit der Energie. Die Maxwellsche Konstruktion ist also ein Rezept, wie das Energiegleichgewicht gefunden werden kann.

Gibt es keine Kondensationskeime in dem System, ist das System also absolut rein, kann keine Flüssigkeit entstehen. Die Flüssigkeit kondensiert nicht. Die Wände des Gefässes können natürlich auch als Kondensationskeime dienen. Die Zustände entlang der Isotherme bedeuten:

AB
Hier ist der Dampf übersättigt. Das System kann sich nur entlang AB bewegen, wenn Kondensationskeime fehlen. In der Nebelkammer wird dies ausgenutzt. Elektronen oder sonstige Teilchen dienen als Kondensationskeime. Die Nebelspur macht sie sichtbar.
DE
Hier haben wir eine überhitzte Flüssigkeit, die ohne Kondensationskeime nicht gasförmig werden kann. Wird Wasser in einer Mikrowelle erhitzt, so erhält man in der Regel eine überhitzte Flüssigkeit, die durch Schütteln beim Herausnehmen schlagartig verdampfen wird und so schwere Verletzungen hervorrufen kann.

Bemerkung:
Beim van-der-Waals-Gas ist bei tiefen Temperaturen

p(0) < 0

Zur Berechnung der Lage der beiden Extremalpunkte D und B betrachten wir die Funktion

p = p (V)

Die Extremalpunkte sind durch

(      )
  -∂p---
  ∂Vmol    = 0
         T

gegeben. Setzen wir p aus Gleichung (2.13) ein, erhalten wir

      (              )
--∂---  -RT----  --a--      ----RT-----   -2a--
∂V      V      - V 2    = -           2 + V3   = 0
   mol   mol-b    mol       (Vmol - b)     mol

Die Extremwerte sind durch

                       2
Vm3olRT  = 2a (Vmol - b)
(2.16)

Für hohe Temperaturen gibt es keine Maxima und Minima (Siehe Abbildung 2.21.1.1). Bei der Isotherme mit der höchsten Temperatur, bei der die ersten Extrema erscheinen, fallen das Maximum und das Minimum zusammen. Dieser Punkt heistkritischer Punkt mit dem kritischen Druck pk und dem kritischen Molvolumen V mol,k. Es existiert nur eine solche Isotherme Tk. Dann gilt

(      )
 --∂2p-         ---2RT-----   -6a--
 ∂V  2   =  0 = (V    - b)3 - V 4
    mol           mol          mol

Wir erhalten

            3         4
6a(Vmol - b) =  2RT V mol
(2.17)

Wir teilen nun Gleichung (2.17) durch Gleichung (2.16), so erhalten wir

3 (Vmol - b) = 2Vmol

Das kritische Molvolumen

Vmol,k = 3b
(2.18)

Setzen wir Gleichung (2.18) in Gleichung (2.16) ein, erhalten wir die kritische Temperatur

27b3RT  =  2a·4b2

und damit

     -8a--
Tk = 27Rb
(2.19)

Schliesslich können wir den kritischen Druck berechnen.

                                            (        )
pk = ----RTk----- ---a-- = --R-·8a--- -a- =   -4--  1- a-
     (Vmol,k - b) V 2mol,k   27Rb ·2b   9b2     27    9  b2

Damit ist der kritische Druck

      1 a
pk = ----2
     27 b
(2.20)

Beispiel:

Mit den Werten für CO2 (a = 0.36   4
Nmmol2 und b = 4.3·10-5 3
mmol) bekommen wir

V mol,k = 1.29 × 10-4 m3
----
mol
Tk = 304.9K
pk = 7.21 × 106Pa

PIC

Amagat-Diagramm oder pV (p)-Diagramm. Dieses Diagramm zeigt besonders schön die Abweichung vom Verhalten des idealen Gases. Beim Idealen Gas wäre pV (p) = nRT eine von der Temperatur abhängige Gerade.

2.21.1.2. van-der-Waals-Zustandsgleichung mit reduzierten Variablen

Mit Hilfe des kritischen Punktes kann die van-der-Waals-Gleichung (2.13) umgeschrieben werden. Wir setzen

p = p--
pk
T = T
T--
 k
V = Vmol--
Vmol,k
und erhalten
(        )
 p′ + -3-- (3V ′ - 1) = 8T ′
      V′2
(2.21)

Weiter können wir a und b mit den Koordinaten des kritischen Punktes ausdrücken.

-8--a-=  T  = ---8a----=  T
27 Rb     k   9RVmol,k     k

Daraus erhalten wir

a = 9R
---
 8V mol,k·Tk (2.22)
b = Vmol,k-
  3 (2.23)
Schliesslich bekommen wir
pk = 1--
27(   )
  a-
  b2
= 1
---
279R
---
 8V    ·T  9
-mol,k2---k--
  Vmol,k
= 3
--
8 RTk
------
Vmol,k (2.24)



[Nächste Seite] [Vorherige Seite] [vorheriges Seitenende] [Seitenanfang] [Ebene nach oben]
©2001-2015 Ulm University, Othmar Marti, PIC  Lizenzinformationen